Das traditionsreiche Schauspiel Frankfurt ist das größte Sprechtheater in der Rhein-Main Region und als überregional profilierte Bühne auch deutschlandweit viel beachtet. Seit 2017/18 hat Intendant Anselm Weber die Führung des Hauses inne.
Mit zwei Festivals, 19 Premieren, davon 9 Uraufführungen und eine Deutsche Erstaufführung, sowie 15 Titeln im Repertoire startet das Schauspiel in die neue Spielzeit 2022/23. Noch deutlicher als bereits in den vergangenen Spielzeiten versteht es sich dabei als Plattform, die regionale und internationale Vernetzung stiftet. Zu seinem Selbstverständnis gehören der Dialog und die Verteidigung einer offenen Gesellschaft mit den Mitteln der Kunst.
Die gedankliche Offenheit und Vielfalt spiegelt sich auch in den Themenfeldern des diesjährigen Spielplans.
Zwei Stoffe, die in ihrer Entstehung über ein Jahrhundert trennt, lenken den Blick zur Spielzeiteröffnung auf das Themenfeld der Ökologie. Jan Bosse eröffnet die neue Spielzeit 2022/23 im Schauspielhaus mit Anton Tschechows »Onkel Wanja«, in dem unter anderem der Arzt und Umweltaktivist Astrow eine entscheidende Rolle spielt. In den Kammerspielen blickt der Dramatiker Thomas Köck mit »Solastalgia« aus ganz und gar heutiger Perspektive auf das Themenfeld Klima.
Die Kammerspiele bleiben mit vier weiteren Uraufführungen am Schauspiel Frankfurt auch künftig der Ort für Neue Dramatik, wobei bereits bestehende Arbeitsbeziehungen der Vorjahre weiter vertieft werden: Arbeiten des Regie- und Autorenduos Stuhler/Koslowski, des Bachmann-Preisträgers Ferdinand Schmalz oder Regina Wenigs werden in den Kammerspielen zu sehen sein.
Ein Motto, das mehrere Stoffe der kommenden Spielzeit verbindet, lautet »Gegen Realitäten«. So lassen sich im ersten Drittel der Spielzeit zwei politische Stücke auf der großen Bühne in dieser gedanklichen Linie lesen.
Wie es ist, sich nicht mit der eigentlichen Realität abzufinden, macht Henrik Ibsens »Ein Volksfeind« deutlich, mit dem die britisch-deutsche Regisseurin Lily Sykes nach ihrer Inszenierung »Die Bürgschaft« nach Frankfurt zurückkehrt. Mit Jean-Paul Sartres »Die schmutzigen Hände« stellt sich Lilja Rupprecht, die zuletzt in den Kammerspielen »Malina« inszenierte, auf der Bühne im Schauspielhaus vor.
Der Gegenrealität im Sinne des Traums widmet sich in den Kammerspielen Barbara Bürk. »Schein ist Sein« heißt es in Dostojewskis »Onkelchens Traum« von 1859, dem sich die Regisseurin in ihrer Bearbeitung unter dem Titel »Life is but a Dream« widmet. Neu in der Intendanz von Anselm Weber, in Frankfurt jedoch kein Unbekannter, ist ein Experte für besonders bildreiche und eigenständige Lesearten: Sebastian Hartmann. Mit seinen Inszenierungen mehrfach ausgezeichnet und zum Theatertreffen eingeladen, wird er im Schauspielhaus Arthur Schnitzlers »Die Traumnovelle« inszenieren. Ein Stoff, der die Realitäten und Gewissheiten des Einzelnen aus den Angeln hebt.
Einen weiteren Schwerpunkt setzt das Schauspiel Frankfurt in der kommenden Spielzeit, indem es den Tanz zurück auf die Bühne des Schauspielhauses holt.
Der Choreograf Jacopo Godani zeigt mit seiner Dresden Frankfurt Dance Company (DFDC) eine beispielhafte Auswahl seiner Werke. Mit »Anthologie« wird die DFDC erstmals seit William Forsythe wieder ein Stück auf der Bühne des Schauspielhauses zur Premiere bringen.
In einer einzigartigen Zusammenarbeit zwischen dem Schauspiel Frankfurt und der Dresden Frankfurt Dance Company treten Schauspieler:innen aus dem Ensemble zusammen mit Tänzer:innen und freien Performer:innen auf die Bühne. Die israelische Choreografin Saar Magal entwickelt mit »10 odd emotions« ein Tanztheaterstück zum Themenkomplex Rassismus und Antisemitismus.
Darüber hinaus bereichern weitere renommierte, internationale Regisseur:innen den diesjährigen Spielplan und untermauern den Gedanken und den Wunsch, den eigenen Blick und die Sichtweise zu weiten und außergewöhnliche Gastspiele, künstlerische Perspektiven und Künstler:innen zusammenzubringen.
Der systemkritische russische Regisseur Timofej Kuljabin wird sich mit Shakespeares Tragödie »Macbeth« dem Frankfurter Publikum vorstellen. Timofej Kuljabin wurde in Westeuropa durch seine Regiearbeit von Tschechows »Drei Schwestern« bekannt, die er in russischer Gebärdensprache inszenierte. Die Regisseurin Ewelina Marciniak bringt mit »Das Tove-Projekt« (AT) eine Romantrilogie der dänischen Autorin Tove Ditlevsen auf die Bühne. Für die Inszenierung werden drei Bände der Kopenhagen-Trilogie zusammen mit der Neuübersetzung von »Gesichter« zusammengebracht.
Die gedankliche Offenheit und Vielfalt sowie das Selbstverständnis als Plattform, Begegnungen zu ermöglichen, zeigt sich in zwei weiteren besonderen Projekten am Schauspiel Frankfurt. Der Beginn und das Ende der Spielzeit werden von zwei Festivals gerahmt, die bisher so noch nicht in einer Stadt gemeinsam stattgefunden haben. Vom 29. September bis 8. Oktober 2022 ist mit der 11. Ausgabe von »Politik im Freien Theater« neben dem Künstlerhaus Mousonturm und Schauspiel Frankfurt die lokale freie Theaterszene erstmals aktiver Mitveranstalter des Festivals der Bundeszentrale für politische Bildung. Das Festival unter dem Motto »Macht« lädt dazu ein, über eigene und fremde Handlungsspielräume nachzudenken und macht künstlerische und politische Positionen und Darstellungen von Macht und Ohnmacht einem breiten Publikum zugänglich.
Mit dem deutschlandweit größten internationalen Theaterfestival »Theater der Welt« werden Vielfalt von Theater, Tanz und Performance aus aller Welt zum ersten Mal seit beinahe vierzig Jahren wieder in die Region Frankfurt-Offenbach zu sehen sein. Initiiert, organisiert und realisiert wird das Festival, das von 29. Juni bis 16. Juli 2023 in Frankfurt und Offenbach stattfindet, von den drei Frankfurter Kulturinstitutionen Künstlerhaus Mousonturm, Museum Angewandte Kunst und Schauspiel Frankfurt sowie dem Amt für Kulturmanagement der Stadt Offenbach als assoziiertem Partner. Erstmals in der Geschichte des Festivals stand für diese Ausgabe auch bei der Auswahl der Programmdirektion der Aspekt eines größtmöglichen Perspektivwechsels im Vordergrund. Die japanische Kuratorin Chiaki Soma ist die erste außereuropäische Leiterin des Festivals und wird ihr Programm rund um eine neue Ethik von »Care«, der Sorge mit-, um- und füreinander, entwickeln.
JUNGES SCHAUSPIEL
Das Junge Schauspiel setzt sich weiterhin verstärkt mit der Historie Frankfurts und dem Themenkomplex der gedanklichen Offenheit, der Verteidigung von Demokratie bzw. ihrer Gefährdung auseinander.
STUDIOJAHR SCHAUSPIEL
2017 startete die Kooperation von Schauspiel Frankfurt und der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst mit dem „Studiojahr Schauspiel“, um angehende Schauspieler:innen eine praxisnahe Ausbildung zu ermöglichen. In der Spielzeit 2022/23 stehen sieben junge Spieler:innen gemeinsam mit den erfahrenen Kolleg:innen des Schauspiel Frankfurt auf der Bühne und ergänzen den Spielplan des Schauspiel auch mit eigenen Formaten – den Klassenzimmerstücken – die jeweils in der Box Premiere feiern und von Schulklassen gemeinsam gebucht werden können.
Nähere Informationen zum Programm unter www.schauspielfrankfurt.de