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Spielplan



Frankfurter Dialoge - Produktion und Kreation

mit Jean-Luc Nancy, Bassam Tibi und Antonio Negri




Die Produktion ist die Operation, die etwas aus etwas heraus entstehen läßt. In diesem Sinne ist sie eine Transformation, die alle Formen, sowohl materielle als auch symbolische, annehmen kann. Es werden Gegenstände, Werte, Bezüge produziert und Materialien und Gedanken ausgearbeitet (auch wenn von Anti-Produktion die Rede ist, auch die Zerstörung). In diesem Sinne kann man alles unter dem Gesichtspunkt der "großen Industrie" begreifen, nämlich der erfinderischen Kombination der her-stellenden, vor- und dar-stellenden Transformationen (siehe Heideggers Arbeit mit den Begriffen her-stellen, dar-stellen und Ge-stell in ‚Die Frage nach der Technik'). Was dargestellt und zur Verfügung gestellt wird, ist der transformierte Grund des Vorhandenen (Material, Kalkulation, usw.). Diese Transformation kann man immer weniger als bloßes ‚Zur-Verfügung-Stellen' von Gegenstände kennzeichnen: Sie funktioniert auch als Verkettung von Strömen (Energieströme, Molekularströme, Blutströme, Geldströme, Warenströme). Selbst die "Natur" (u. damit das "Leben", die "Gesundheit", usw.) zeigt sich als Produktion (vielmehr als der vorherige Grund zu sein).

Anders die Kreation, die das ex nihilo voraussetzt. Das ex nihilo ist nicht unbedingt theologisch, denn es bezeichnet den abwesenden Grund, nämlich die Abwesenheit einer Transformation zugunsten einer Formerfindung. Die kreierte Form stellt nicht zur Disposition, sondern sie schafft Sinn, sie ist ein erstmaliger Sinn (oder Wahrheit). Auf dieser Seite siedeln wir die Kunst an. Die Kunst jedoch produziert auch Gegenstände und tritt in die Zirkulation der Ströme ein. Produktion und Kreation kreuzen sich und liegen nebeneinander.

Wie kann man diesen Vorschlag der Analyse wieder verarbeiten, weiterführen und sich damit auseinandersetzen? Wie kann man den Durchgang der Kreation durch die Produktion hindurch denken ? Wie kann man denken, daß die Produktion einen solchen Durchgang offen läßt ? War das nicht insbesondere das Vorhaben Marx'? Das wesentliche am Vorhaben Marx ist nicht die Verschiebung des Besitzes der Produktionsmittel, sondern die Befreiung des absoluten Wertes (weder Gebrauchs- noch Tauschwert) als Wert des Menschen, der sich selbst erschafft.

Zu Gast sind:
Antonio Negri (Philosoph/ Rom) und Bassam Tibi
(Politikwissenschaftler/ Göttingen)
Prof. Dr. Bassam Tibi, geboren in Damaskus, ist Leiter der Abteilung für Internationale Beziehungen an der Universität Göttingen und seit 1988 Research Associate an der Harvard University/USA. Er studierte Sozialwissenschaften, Philosophie und Geschichte in Frankfurt bei Adorno, Habermas, Horkheimer und Fetscher. Prof. Tibi gilt als Islamexperte und beschäftigt sich schwerpunktmässig mit den Themen Fundamentalismus und Sicherheitspolitik.

Antonio Negri lehrte zuletzt Staatsrecht in Padua und Paris. Der Theoretiker der autonomen Linken Italiens (autonomia) galt denen als Vordenker, die einen Weg jenseits des alles durchdringenden Kapitalismus suchten. Am 7.April 1979 wurde Negri mit 70 weiteren Linken verhaftet. Der Vorwurf des bewaffneten Aufstands gegen die Staatsgewalt sowie weitere Anklagepunkte erwiesen sich als unhaltbar, blieben jedoch weiter bestehen. 1984 wird Negri wegen "Bandenbildung" in Abwesenheit verurteilt. Als politisch Militanter und Theoretiker der autonomen Linken Italiens (autonomia) vom italienischen Staat strafrechtlich verfolgt, lebte er einige Zeit im politischen Exil in Frankreich. Er geniesst in Frankreich inoffizielles Asyl. 1997 kehrt Negri freiwillig nach Italien zurück, begleitet von einem Amnestieappell. Er wurde dennoch verhaftet. Antonio Negri lebt momentan ausserhalb der Gefängnismauern, darf aber das Land nicht verlassen.



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