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Spielplan



Frankfurter Dialoge: - Wirklichkeit und Schein

mit Jean-Luc Nancy, Sybille Krämer und Gerhard Johann Lischka




Partner der Frankfurter Dialoge: NIL
Mit freundlicher Unterstützung des Institut français für Frankfurt und Hessen.

Spricht man über die Wirklichkeit, dann befindet man sich heute in einer doppelten Schwierigkeit. Man kann zweierlei sagen:
Entweder:
scheint jeder wie selbstverständlich zu wissen, was mit Wirklichkeit gemeint ist. Sie wird - wie die Subjekte - produziert. Das Verhältnis von Wirklichkeit und Schein jedoch zu bestimmen, ist schwierig geworden. Eine authentische Erfahrung von Wirklichkeit ist bereits Ergebnis einer produktiven Interpretation. Überspitzt könnte man sagen: Wirklichkeit ist die Simulation eines Wirklichkeitsmodells, das seinerseits sich als Simulation erweist unter dem Verlust jeglicher Referenzinstanzen - im eigentlichen Sinne des Wortes: ein Unding. Das Virtuelle und das Wirkliche sind nicht mehr zu unterscheiden. Wir wissen nicht mehr wer was schafft, wenn die Welt erschaffen wird.
Wie vervielfältigt sich Wirklichkeit in der Globalisierung? Es scheint, daß Wirklichkeit verschiedenen Inszenierungsstilen unterworfen wird. Dies wirkt sich natürlich auch auf das Selbstverständnis der Theaterarbeit aus. Wenn die Inszenierung, die Produktion von Schein, zu einer allseits praktizierten Technik wird - wie verhält sich dazu eine kulturelle Instanz, welche diese zu ihrem genuinen "Rüstzeug" zählt?

Oder:
das Abendland beruht auf der Unterscheidung von Wirklichkeit und Schein. Man könnte beinahe sagen, daß eine nicht abendländische Kultur ( oder das Andere des Abendlands in uns) die Abwesenheit oder die Verschiebung dieser Unterscheidung als Baustein hat: das Reale erscheint anstatt verborgen zu sein, hinter dem Schein. Darum ist es nicht sicher, daß die kritischen Analysen des Bildes, des Simulakrums, des Virtuellen, (Medium, Fernsehen, Bilder die sich aus Umfragen ergeben, soziale Rollen, Internet, u.s.w. ) nicht immer der Metaphysik der Erscheinung und des Ding an sich geschuldet sind. Aber wie wäre es, wenn das Reale „an sich“ das Un-scheinende wäre, worauf jede Erscheinung hinweist? So wäre das Reale kein Ding, sondern das Reale ist, daß es Dinge gibt, eine Welt gibt, uns gibt, die der Welt beim Erscheinen und Verschwinden zuschauen. Wäre die Funktion des Theaters dann nicht diese, die Brecht oder auch Aristoteles wiedererkannte: Zeigen, daß gezeigt wird, und somit zeigen, daß alles was erscheint das Un-scheinende zeigt. Das wäre das Geheimnis, das das Geheimnis der Welt bleibt: daß alles in und aus dem Un-scheinenden erscheint; daß das Un-scheinende gerade das Ur-scheinende ist, oder das alles aus dem Ur-scheinenden ausscheint.


Gerhard Johann Lischka
Geboren 1943, Dr. phil., Kunst- und Medientheoretiker. Herausgeber verschiedener Zeitschriften und Buchreihen zur Kultur- und Kunsttheorie, Mediatisierung. Kurator zahlreicher Ausstellungen im In- und Ausland. Lehrtätigkeiten u.a. an der Fachhochschule für Kunst und Design, Köln, Universität/Gesamthochschule Essen, Universität Innsbruck, Hochschule für Theater Bern. Zahlreiche Publikationen u.a. „Kulturkunst. Die Medienfalle. (1987)“, „Splitter. Ästhetik.“ (1993), Schnittstellen. Das postmoderne Weltbild“ (1999).


Sybille Krämer
geb. 1951. Studium der Philosophie, Geschichte und Sozialwissenschaften. Seit 1990 Professorin am Institut für Philosophie, Freie Universität Berlin; 1992 Gastprofessur an der TU Wien; Mitglied im Direktorium des Helmholtz-Zentrums für Kulturtechnik (HU Berlin); seit Februar 2000 Mitglied im Wissenschaftsrat. Zahlreiche Veröffentlichungen, darunter: „Sprache, Sprechakt, Kommunikation: sprachtheoretische Positionen des 20. Jahrhunderts“ (2001), „Medien, Computer, Realität: Wirklichkeitsvorstellungen und Neue Medien“ (1998), „Bewußtsein: philosophische Beiträge“ (1996).

mehr zu den Frankfurter Dialogen: siehe Archiv