¯Zurück
 
Spielplan


Termine Bockenheimer Depot:

30. August 2007
01. / 03. / 14. / 17. / 27. / 28. September 2007
02. / 04. / 05. Oktober 2007

Bildergalerie (7 Bilder) />

Weitere Infos

Hauptartikel Iphigenie auf Tauris />
Pressestimmen

Downloads:

goethe ffm Festwoche [pdf] />

Zuschauer-Rezensionen lesen />

Iphigenie auf Tauris

Pressestimmen


"Die Fenster sind offen. Tageslicht dringt durch die Scheiben des Bockenheimer Depots, fällt in die Weite des Raumes, der seit der Schließung des Theaters am Turm (TAT) 2004 viel zu selten bespielt wird. Dann schließen sich geräuschvoll die Rollläden. Eine weiße Fahrradrikscha gleitet lautlos durch den Raum wie ein Geisterschiff. Jennifer Minetti tänzelt vorüber, verschwindet rückwärtig in einer Wand aus Nebel. Es ist ein unwirtlicher und doch bergender Ort, den Wanda Golonka für Goethes "Iphigenie" erzeugt, poetisch und schlicht, traumgleich und sehr real...An einem Tisch richtet sich König Thoas ein, gespielt von Georgette Dee. Für gewöhnlich tritt Dee als selbst erklärte "schwule Chansonsängerin" auf, seltener als Schauspieler. Doch er ist eine glückliche Wahl: Sein Thoas ist permanent auf der Bühne, er kocht, zieht mit der Rikscha durch die Szenerie, markiert sein Land. Ein einsamer König von Macht und Zärtlichkeit, der alles, was er hat, in seine Stimme legt – betörend raunend, bedrohlich flüsternd...Hinreißend, wie die Minetti über die Bühne tänzelt, einen Fuß barfuss, einen beschuht und also leicht hinkend, einen zerzausten Schirm über die Schulter gelegt wie ein Paar Schmetterlingsflügel. Mit ihrer alten Singvogelstimme, vor den Lichtern der Stadt und einem hereinbrechenden Außen erzählt sie von der Verlassenheit des Königs, der soeben seine letzte Vertraute verloren hat....Jean-Luc Nancy schrieb im "Fremden Herz", das Wesen des Eindringlings sei es, dass sein Ankommen nicht aufhöre. "Es kann sich auf kein Recht, keine Vertrautheit, keine Gewöhnung berufen, im Gegenteil: es ist eine Störung, ein Aufruhr im Innersten." Dieser Aufruhr fährt den Figuren in die Glieder, er lässt sie auf- und ablaufen, einander umkreisen, tänzeln. Als lägen sie stets auf der Lauer, bereit zu Flucht oder Angriff. In der dauerhaften Bewegung geht manches Wort verloren. Manche Verhandlung – denn es ist ja zentral ein Verhandlungsstück, in dem nichts geschieht – hätte ein wenig Ruhe gut gebrauchen können. Schließlich handelt das Stück auch davon, wie eng Zugehörigkeit mit Macht verknüpft ist, mit Gewalt und Abhängigkeit. So wird es am Ende endlich still, als Iphigenie Thoas bittet, sie in Frieden gehen zu lassen. Wie er mit einer ruckartigen Bewegung hinter sie tritt, Rücken an Rücken, und seinen Kopf auf ihre Schulter legt, ist von großer Zärtlichkeit und Trauer. Und klar tritt hervor, dass beide verlieren werden, dass auch das Verlassen ein Gewaltakt ist – am eigenen Selbst wie am anderen."

Nachtkritik, Freitag, 31. August 2007

"Einfach hat es sich die Hausregisseurin am Schauspiel Frankfurt mit ihrem Beitrag zur Festwoche „goethe ffm“ erwartungsgemäß nicht gemacht. Hier wird nicht stringent Goethes Antikenstück heruntergespielt, sondern Figuren werden verfremdet, Inhalte verknappt und mit einem anderen Text verquirlt. Im Bockenheimer Depot gibt es keine Guckkastenbühne, sondern der weitläufige Boden wird bespielt, während an den Flanken die Zuschauertribünen an ein Amphitheater erinnern: das passende Ambiente für ein Schauspiel, in dem Goethe kaum von der antiken Vorlage abwich...Die Travestie-Sängerin Georgette Dee gibt hier mit kühler Nonchalance den Thoas, der auf einer exponierten Bühne überdimensionale Ruten schnitzt, zwischendurch mit Melonen und Quark ein Süppchen kocht und sich mit Iphigenie, von dem senegalesischen Mimen Falilou Seck als staubaufwirbelnder und letztlich im Staub Versinkender eindrucksvoll verkörpert, mit den Ruten Mikado-Duelle liefert. Dass Golonka auch Choreografin ist, kommt während des 100-minütigen Abends immer wieder zum Tragen, wenn sie ihre Figuren in zarten Pas de deux auftreten lässt."

Frankfurter Neue Presse, Samstag, 01 September 2007

Falilou Seck als Iphigenie umreißt mit anmutigen und doch bestimmten Schritten einen heiligen Bezirk, während Georgette Dee als Thoas sich in vollem Bewusstsein, auf alles einen Rechtsanspruch zu haben, in unterschiedlichen Sphären tummelt, zwischen dem Profanen und dem Numinosen, zwischen Herd und Heiligtum, zwischen Macht und Sehnsucht. Orest (Bernd Tischendorf) und Pylades (Fabian Gehrhardt) sind mittels Stoffmasken als Eindringlinge kenntlich gemacht, an denen wieder vollzogen werden soll, was dank Iphigenie einst abgeschafft wurde: Auf Tauris war es Brauch, Fremde auf dem Altar der Diana zu opfern.Der König will den Brauch abermals einführen, nachdem sich Iphigenie seinem Liebeswerben entzogen hat. Ihrem beharrlichen Bitten, sie und ihren Bruder Orest ziehen zu lassen, kann sich der König auf Dauer jedoch nicht widersetzen: Ein Bild der Hoffnung ist es, das die Zuschauer entlässt, die Geschwister gehen durch das geöffnete Tor des Depots hinaus in die neonlichtbeleuchtete Nacht. Nennen wir sie Iphigenios und Orest.

Frankfurter Allgemeine Zeitung, Samstag, 01. September 2007