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Spielplan


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12. September 2008
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Alexander Brill zur Gründung des Ensembles THEATERPERIPHERIE
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EHRENSACHE

Alexander Brill zur Gründung des Ensembles THEATERPERIPHERIE


Ab der Spielzeit 2007 / 2008 wird das von mir gegründete theaterperipherie seine Arbeit aufnehmen.

theaterperipherie ist Programm: es soll sich mit den Problemstellungen und Konflikten unserer gesellschaftlichen Peripherie theatralisch auseinander setzen, und die Darsteller sollen ihre Wurzeln in der Peripherie haben. theaterperipherie wird im Gegensatz zum laiensclub nicht integraler Bestandteil von schauspielfrankfurt sein, sondern es wird von Produktion zu Produktion mit schauspielfrankfurt kooperieren oder koproduzieren.

peripherie 1, das erste Projekt dieser Reihe wird das Theaterstück EHRENSACHE von Lutz Hübner sein.

Zwei Jungs, 19 und 17 Jahre alt, lernen zwei 15- und 16-jährige Mädchen kennen, es ist Wochenende, und man verabredet einen kleinen Ausflug nach Köln, in die Großstadt, will sich einen schönen Tag machen. Doch am Ende dieses Tages liegt eines der Mädchen tot auf einem Rastplatz mit mehr als dreißig Messerstichen regelrecht abgeschlachtet, und ihre zwei Jahre jüngere Freundin überlebt schwerverletzt, nur weil die Täter sie für tot halten. Zwar sind die beiden Täter schnell gefaßt, aber was genau an jenem Tag passiert ist, bleibt unklar: Je nach Perspektive gibt es ganz unterschiedliche Versionen oder Vorstellungen davon, was zu einem solchen Exzeß von Gewalt geführt hat. Was haben die Jungs von Elena gewollt, das sie ihnen nicht geben wollte? Woher kommt die Brutalität, mit der die beiden türkischstämmigen Jungen, die als freundlich und angepaßt galten, zugestochen haben? Welche Rolle spielen Frauen- und Männerbilder in dieser Geschichte? Verletzte Ehre, ein völlig unterschiedlicher kultureller Hintergrund. Eine Geschichte unter Ausländern in Deutschland? Oder ein Drama über Frustration, Demütigung und emotionale Verletzungen, die zusammen einen Sprengsatz zünden, der schon lange in allen Beteiligten scharf war? Ein psychologisches Spiel über gekränkte Ehre, Männerfreundschaft oder einfach nur dem Hunger nach Leben verleihen einer eigentlich einfachen Geschichte das Ausmaß einer Tragödie.

Lutz Hübner entdeckte in dieser auf den ersten Blick privaten und banalen Tragödie einen grundsätzlichen sozialen und politischen Sprengstoff: Viele junge türkische (muslimische) Frauen können in Deutschland kein selbst bestimmtes Leben führen, weil die patriarchalische Männerwelt darauf oft mit Gewalt reagiert! Sowohl die Frauen als auch die Männer sind Gefangene dieses Systems, aber die Opfer sind immer die Frauen. Tatsache ist, dass es in allen Gesellschaften ein Gewaltverhältnis zwischen Männern und Frauen gibt. Aber im Gegensatz zu den westlichen Demokratien, in denen Gewalt gegen Frauen offiziell verpönt ist, glauben sich viele Muslimische Männer durch den traditionellen Begriff der Ehre oder sogar durch ihre Interpretation des Koran, in ihrem Herrschaftsanspruch legitimiert. Viele muslimische Frauenrechtlerinnen und Autorinnen beschreiben und beklagen das. Sie können das nur unter Gefahr für ihr Leben tun, was ihre Beobachtungen und Analysen leider nur bestätigt.

EHRENSACHE ist in mehreren deutschen Städten gespielt worden. Aber es hat sich herausgestellt, dass man den Teil der Bevölkerung, den dieses Thema wirklich betrifft, nicht erreichen konnte. Woran lag das?

1. Weil es von deutschen Schauspielern gespielt wurde.

2. Weil das Stück ausschließlich in den traditionellen Einrichtungen des Stadttheaters gespielt wurde.

Wie kann man mit diesem Stück die Schichten erreichen, die es angeht und so Wirkung erzielen und Diskussionen in Gang setzen?

1. Ich werde dieses Stück nicht mit deutschen Darstellern machen, dann wäre es ein Abend, in dem wir Deutschen über die „Anderen“ erzählen. Das Ensemble für dieses Stück steht bereits fest. Es sind jugendliche Darstellern aus der Türkei, Afghanistan, Iran. Ich verspreche mir von dieser Besetzung eine wesentlich höhere Authentizität und eine andere Glaubwürdigkeit: vielleicht wird es so möglich sein, die Betroffenen zu erreichen und in eine Auseinandersetzung mit ihnen zu kommen.

2. Der Spielort von theaterperipherie wird die jugend – kultur - kirche sankt peter sein: „sankt peter hat den Auftrag, die Peterskirche und ihre Ressourcen für Jugendliche der Rhein – Main - Region im Alter von 14 – 25 Jahren unabhängig von deren Nationalität oder Religionszugehörigkeit offen zu halten und Programmangebote zu verantworten.“ So lautet die Programmatik der GMBH. Zusätzlich ist denkbar, dass theaterperipherie auch in Schulen spielen wird.

3. Damit das Thema aber nicht in der Peripherie verschwindet, sondern auch einer deutschen Bevölkerung bewusst wird, dass sich Muslime eines Themas annehmen, das in der deutschen Öffentlichkeit sehr emotional diskutiert wird, wird EHRENSACHE auch regelmäßig im Kleinen Haus von schauspielfrankfurt gespielt werden.

peripherie 2 wirft den Blick nicht auf die Probleme der Migranten in Europa oder Frankfurt. Dieses Projekt möchte einen Stoff aus der Türkei mit Darstellern, die ihre Wurzeln in der Türkei haben, auf die Bühne bringen. Auch hier wird das Ensemble aus begabten Laien und professionellen Schauspielern bestehen. Wir erhoffen uns zwei kulturelle Neuerungen in Frankfurt durch dieses Projekt:

1. Dass die hier lebenden türkischen Bürger endlich auch einmal ins Theater gehen, weil sie sich durch den Autor, den Stoff und die Darsteller repräsentiert sehen.
2. Dass die deutschen Bürger – nicht nur für die wenigen Tage der Buchmesse – im Theater zum ersten Mal der türkischen Kultur und Kunst begegnen können.

An diesem Projekt wird sich schauspielfrankfurt als Co–Produzent beteiligen. Jürgen Boos, der Leiter der Buchmesse ist sehr interessiert an dem Projekt peripherie 2 und hat seinen türkischen Partnern vorschlagen, es zum offiziellen Programmpunkt der Buchmesse 2008 zu machen. Die Premiere soll während der Buchmesse 2008 stattfinden. So wie die Buchmesse der Türkei ein Forum verschafft, sich über Literatur zu präsentieren, so möchten wir der Türkei die Bühne als Forum zur Verfügung stellen. Geplant ist die Dramatisierung eines türkischen Romans oder Mythos`, oder das Stück eines türkischen Theaterautors. Ein Gelingen unserer Pläne hängt ganz wesentlich von der Wahl des Stoffes oder Autors ab. Die richtige Wahl zu treffen, ist auf diese Entfernung kein leichtes Unterfangen. Wer von uns Theaterleuten hat einen Ein – oder gar Überblick über die Theaterszene in den türkischen Großstädten. Wer kennt einen Mythos, der erzählt werden muss, wer einen Autor, der heute zwingend ist? Deshalb sind wir auf die Hilfe von Menschen angewiesen, die über genaue Kenntnis über türkische Literatur verfügen und intensive Kontakte zur türkischen Theaterszene haben.

Frau Maria Magdalena Schwägermann, die das „Theaterspektakel“ Zürich leitet, hat uns ihre Hilfe zugesichert. Sie verfügt über langjährige und intensive Kontakte zur türkischen Theaterszene. Im August habe ich in Zürich anlässlich des Festivals Mustafa Avrikan, den Direktor des „Kulturlabor GarajIstanbul“ getroffen und mit ihm die Möglichkeit einer Zusammenarbeit oder von Koproduktionen diskutiert.

Außerdem haben wir Kontakt zu Sezer Duru aufgenommen, die gerade mit dem Deka Preis des Literaturhauses ausgezeichnet wurde.

Das ist die eine Seite des Plans. Er hat aber noch eine zweite. Die Arbeit, die wir zur Buchmesse herausbringen werden, möchten wir auch in der Türkei zeigen. Und wenn es geht und wir genug Geld zusammenbekommen, möchten wir auch türkische Gruppen nach Frankfurt holen. D.h. wir möchten endlich einen kulturellen Austausch mit der Türkei herstellen. Was mit anderen Ländern kultureller Alltag ist, existiert mit der Türkei nicht. Dabei stellen die Menschen, die aus der Türkei zu uns gekommen sind, die teilweise seit drei Generationen hier leben, den weitaus größten Anteil aller „ausländischen Mitbürger“. Das ist paradox, aber natürlich auch Ausdruck der kulturellen Differenz. Genau die gilt es aber zu überwinden.

Das theaterperipherie kann mit seiner Arbeit in folgenden Bereichen einen wichtigen gesellschaftlichen Beitrag leisten:

- Intergration: Migranten spielen Theater für Deutsche und andere Migranten. Sie zeigen mit ihrer Arbeit ihr Interesse an einem gesellschaftlichen Diskurs. Sie werden dafür in hohem Maße Anerkennung erhalten.

- Kultur: Soweit mir bekannt ist, gibt es im Frankfurter Raum keine einzige professionelle Theatergruppe, die ausschließlich multikulturell ausgerichtet ist. theaterperipherie wird sich mit neuen, bisher nicht abgehandelten Stoffen theatralisch auseinander setzen. Es wird Stücke erfinden und spielen, die man auf keinem deutschen Spielplan findet.

- Bildung: Jugendliche mit Migrations - Hintergrund erhalten die Möglichkeit, mit professionellen Schauspielern und Regisseuren zusammenzuarbeiten. Das wird sie in ihrer intellektuellen und emotionalen Entwicklung sehr fördern und stabilisieren.

- Unsere Stadt: Frankfurt, die Stadt mit dem höchsten prozentualen Anteil von Migranten in Deutschland würde ein gesellschaftliches und politische Signal setzen: sie ist bereit, den künstlerischen Gestaltungswillen der Bürger aus fremden Kulturen zu fördern. Dieser Gestaltungswille wird der Stadt und ihren Bürgern neue Themen und fremde Stoffe schenken. Sie fördert den Austausch von Kunst und Kultur und wird so zum Vermittler zwischen der Türkei und Deutschland.