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08. Mai 2008

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Glück für alle

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Es genügt die Lektüre weniger Worte aus seinen Stücken, es reicht der Blick auf einzelne Szenen seiner Inszenierungen. Schon ist klar: Dass er sich allzu ernst nähme (wie ja nicht gerade wenige seiner Kollegen!), kann man weder dem Autor noch dem Regisseur Marc Becker vorwerfen. Der Spaß an der Situationskomik, die Freude am Wortspiel kommen bei Becker im Zweifelsfall vor der Dramaturgie. In schlechten Momenten sind seine Stücke und Inszenierungen schlicht albern, in guten bestechen sie durch Leichtigkeit und Originalität. In Beckers eigener Inszenierung seines neuesten Stücks "Glück für alle " am Oldenburgischen Staatstheater überwiegen die guten Momente.

Unglücklich durch die Galaxis

Wir befinden uns in ferner Zukunft, in einer Zeit, in der man Hunde oder Kühe nicht unbedingt mehr aus persönlicher Anschauung kennt, in der das Küssen als altmodisch verschrieen ist und in welcher sogar das Partymachen mit konventionellen Schnittchen und Getränken nicht länger zeitgemäß ist. Vor allem aber sind Raumschiffe in dieser Zeit ein gängiges Verkehrsmittel, man bewegt sich mit derselben Selbstverständlichkeit durch das Weltall wie wir heute etwa von Berlin nach London fliegen. Allein die (wunderbaren!) Kostüme der Figuren und die Bühne haben mit der Entwicklung offenbar nicht Schritt gehalten: hier erinnert einfach alles an die 1960er-Jahre-Fernsehserie "Star Trek". "Glück für alle" spielt über weite Strecken im Innenraum eines Raumschiffs.

Das Unglück an der Macht

Dort nun hoffen Lara (Caroline Nagel), Robert (René Schack), Marianne (Rika Weniger), Gerd (Jens Ochlast) und Karl (Klaas Schramm), dass der große Wissenschaftler Adamo (Thomas Lichtenstein) zu der über allem schwebenden Frage "Wo ist das Leben, das wir nicht leben?" auch eine Antwort parat hätte.

Wie sehr sie es hoffen – das teilt uns Regisseur Marc Becker gleich zu Beginn auf gewohnt drastische Weise mit: Er lässt seine Figuren einfach nur nebeneinander im Raumschiff sitzen, ohne ein Wort zu sagen – ein jeder mit der Schmollmine eines dreijährigen Kindes, dem irgendwer das Spielzeug weg genommen hat. Ein wunderbares Bild und zugleich der Beweis, dass Marc Becker sogar dem Unglück mehr Komisches als Trauriges abgewinnen mag – trotz solch bemerkenswerter Lebensweisheiten wie: "Glück im Unglück – das bedeutet, dass das Unglück die Macht hat".

Natürlich hat auch Beckers Adamo den Schlüssel zum ewigen Glück nicht gefunden. Viel mehr entführt er seine fünf Versuchskaninchen im weiteren Verlauf des Stücks für immer auf einen fremden Planeten. Die Suche aller Akteure nach dem Glück aber ist real, der blöde Spruch vom Weg, welcher das Ziel sei, trifft vielleicht niemals genauer zu als auf diese Reise durch den Weltraum.

Das Leben, das wir nicht leben

Denn "tatsächlich" verändern sich die Figuren während des Flugs, nähern sich ihren Idealen an. Während sich etwa Gerd, von den Nachteilen des Reflektionsvermögens ebenso überzeugt wie von den Vorzügen fleischlicher Lüste, immer mehr zum Affen wandelt – mit Banane im Mund, Ganzkörperbehaarung und allem, was dazu gehört – wird Laras Körper zusehends metallen: sie ist nun "robust und langlebig", um in Form zu bleiben, muss sie sich lediglich regelmäßig einölen.

So harmlos und albern einem diese Einfälle angesichts der philosophischen Schwere des Themas "Streben nach Glück" auch erscheinen mögen, bleibt die Hintersinnigkeit der Komik doch immer ersichtlich. "Das Leben ist nichts weiter als eine blinde Kuh, die versucht, einen Esel zu fangen", sagt Karl, wenige Szenen bevor er den "Vertrauensknopf der Verantwortungsbewussten" drückt, um alles in die Luft zu jagen (freilich ohne Erfolg). Es ist einem, als spräche hier nicht Karl, sondern Marc Becker.

Nachtkritik, Mai 2008