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Spielplan


Termine schmidtstrasse12:

30. Dezember 2004
07. / 08. / 13. / 22. Januar 2005
10. / 17. Februar 2005
31. März 2005
07. April 2005
19. Mai 2005
05. Juni 2005

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Idioten

Lars von Trier: Tagebuch


18.6.
heute hatten wir einen guten Tag, finde ich. Vielleicht nervt es ein bißchen, sich das alles anhören zu müssen, aber … wir haben die erste wirklich improvisierte Aufnahme gemacht, und zwar die Szene, als Karen in Søllerød aufwacht, rausgeht und sieht, daß alle ein wenig herumspasten. Dann kommt Katrine und redet mit Axel. Das haben wir improvisiert, und so entstand das beeindruckende Zahlenverhältnis von 1:75. Das ist so zu verstehen, daß wir, wenn die Szene zwei Minuten dauert, jetzt mit beiden Kameras zusammen Material von zweieinhalb Stunden Länge aufgenommen haben Der Schnitt wird spannend sein. […] Ich kann nachts immer noch nicht schlafen und bin deshalb jetzt etwas müde. Aber jetzt machen wir Wechselschichten, und deswegen versuche ich, das Schlafen bleiben zu lassen, aber das wird sicher auch nicht gelingen, ich mache mir immer noch Sorgen um meine Eier, aber offenbar soll das so sein. Immer muß es etwas geben, damit das Leben nicht zu einfach ist … in mir ist anscheinend ein Mechanismus eingebaut, der das verhindert. Ich meine damit, daß für mich in diesem Leben die Atempausen verdammt kurz gewesen sind, in denen es nicht irgendeinen Scheiß gegeben hat, vor dem ich Angst habe, der nervös macht oder den ich fürchte oder … ach, leck mich am Arsch. Ich hatte gehofft, daß mir die harte Arbeit – und es ist wirklich harte Arbeit, diesen Film zu drehen – helfen würde, und das tut es vielleicht auch – es ist ja keine
panische Angst. […]

25.6.
Ekstatisches Drehglück. Ja das trifft es ganz gut. Gestern war ein Scheißtag, […] Ja heute war ein verdammt guter Tag, zuerst haben wir die Taxiszene gedreht, in der Karen vom ›Søllerød Kro‹ zu ›Rockwool‹ fährt, wie absurd das auch klingen mag. Wir konnten ja diese ersten Tage nicht in chronologischer Reihenfolge drehen, wie wir es eigentlich gehofft und auch mit dem ganzen Film vorhatten – auch wenn das keine DOGMARegel ist. Wir starten also mit dieser Szene und das übertraf alle unsere Erwartungen. Der entscheidende Moment, wo Henrik und Stoffer aus der Spastikerrolle aussteigen und Karen darauf reagiert, ist richtig gut. Da wir für den Kameramann im Auto keinen Platz mehr hatten, übernahm ich, und dann haben sich die Schauspieler bei einigen Einstellungen gegenseitig gefilmt. Das hat bestens funktioniert. Es war auch eine witzige Idee, daß sie sich gegenseitig gefilmt haben. Später sind wir in den Wald gefahren und haben eine phantastische Szene gedreht, die von Fellini hätte sein können. Ich verstieß gegen die DOGMA-Regel, keine Ästhetik zu haben, und rannte in das Waldstück
meiner Kindheit … das ist ein merkwürdiger Teil, denn ich habe fast alle Wälder und Gewässer und was weiß ich hier draußen schon verwendet. Doch gerade dieses Waldstück, das für mich das vielleicht poetischste ist und das ich als geradezu japanisch empfinde, habe ich nie verwendet. Ich steuerte natürlich dort hin, wie ich es bei jedem beliebigen Spaziergang getan hätte. Es ist ein winziges Kiefernwäldchen mit grünem Gras – und dann wurden wir im Wind
gesegnet. Ursprünglich sollte die Szene, in der Nana daliegt und sich sonnt, bei Sonnenschein gedreht werden. Doch so wirkt es noch viel komischer, daß sie um Sonnenöl bittet, wenn so ein verdammt trübes Wetter herrscht – es wird noch absurder, sich mit Mayonnaise und was weiß ich noch einzuschmieren. […]

Aus: DOGMA 95 – Zwischen
Kontrolle und Chaos, hrsg. von
J. Hallberg u. A. Wewerka,
Berlin 2001