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Hauptartikel Kollektives Lesen eines Buches mit Hilfe der Imagination in Frankfurt />
Alvis Hermanis />
Alvis Hermanis: Gespräch in MANIFESTO 15.10.2005
Brigitte Fürle. />
Der Übersetzer Andreas Tretner über die Inszenierung />
Pressestimmen />
Wunderkasten Theater - Alvis Hermanis im Gespräch mit Brigitte Fürle />

Weiterführende Links:

Sorokin in Berlin />
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Das Eis

Alvis Hermanis: Gespräch in MANIFESTO 15.10.2005


Das Herz der Gegenwart
Auszüge aus einem Interview mit Alvis Hermanis in MANIFESTO 15. Okt. 2005
Wie haben Sie das Eis inszeniert?

Die Sprache von Sorokin ist ein teilweise harter slang, auf Russisch viel differenzierter als in den Übersetzungen. Ich habe entschieden, die erste Fassung von Das Eis zuerst in Deutschland zu machen, weil die Schauspieltheorie Brechts mir hier entgegenkommt, wenn ich mit deutschen Schauspielern arbeite. Aber da ich vom traditionellen russischen Theater komme, denke ich natürlich ebenso in der Theorie von Stanislawski, auch weil dieser Roman hier beiderseits die Geschichte Deutschlands und Rußlands mit ein bezieht.

War das schwierig mit Schauspielern zu arbeiten, die eine andere Sprache als Sie sprechen?

Ich kann kein Deutsch, also haben wir in einem ärmlichen Englisch kommuniziert, aber wenn ich probe, hasse ich es ohnehin, viel zu sprechen. Wir waren auch sehr oft außerhalb des Theaters unterwegs, viele Impulse kamen von draußen. Wir beziehen ja auch die Zuschauer mit ein, die Bildmaterial in die Hände bekommen, was genau wird nicht verraten, um die Überraschung nicht zu zerstören.
Der Roman von Sorokin ist politisch völlig inkorrekt. Wenn ich Deutscher wäre, hätte ich mich nicht getraut, das zu inszenieren. Aber als Ausländer und jemand der gerne mit dem Feuer spielt, kann ich diese Tabus anfassen, die hier auch die deutsche Geschichte betreffen.
Deutsche Kritiker schrieben, daß in unserer Inszenierung Pornobilder gezeigt würden. Für mich geht es vielmehr um Erotik und ich glaube, daß die Reaktionen in Italien anders sein werden, immerhin gab es hier die Filme und die Literatur von Visconti und Pasolini.

Um welche Tabus geht es?

Der Roman von Sorokin und diese Inszenierung sind zwei völlig unterschiedliche Dinge. Ich weiß nicht, ob Sie Sorokins Geschichte kennen, daß er in Rußland zensiert wird auch öffentlich angegriffen, daß seine Bücher in Straßenhappenings quasi verbrannt werden, daß er sich in China versteckt hielt und einen Prozeß wegen Pornografieverdachts am Hals hatte.
Er erzählt in EIS von einer geheimen Sekte, die die Menschheit manipulieren möchte.
Ich habe großen Resepekt vor dieser Annäherung, ich glaube wirklich, daß wir in einer Zeit der großen Manipulationen leben, in der Politik, in der Werbung, in der Wissenschaft. Und nicht viele Leute trauen sich, diese Tabus anzufassen. Ich bin jetzt 40 Jahre alt, bin in der Sowjetunion aufgewachsen, die als eine autoritätre Gesellschaft galt. Heute leben wir in Lettland in der Europäischen Gemeinschaft, in einem modernen Kapitalismus, man kann sagen, in einer anderen Form von autoritärer Gesellschaft. Die moderne Politik ist eine Fiktion, die auf der Macht des Geldes basiert, an die alle glauben und vielleicht ist das auch eine Manipulation. Und gleichzeitig erleben wir so etwas wie die Diktatur der Einfachheit, die jetzt die große Idee der Kultur ist. Ich weiß nicht ob Fellini heute seine Filme finanziert bekommen würde. Hinter dem Vorwand des kommerziellen Erfolges steht wieder eine neue Form der Diktatur, als wäre der Massenkonsum der einzige und wahre Sinn. Sorokin sagt uns auf ironische und sehr ehrliche Weise und mit größerer Klarheit als viele andere, was die Manipulation im moderen Europa ist.

Wie war die Reaktion auf Eis in Frankfurt?

Einige Kritiker waren schockiert, Sie haben mir einen faux pas vorgeworfen, weil das Datum der Premiere mit dem 60 Jahrestag der Befreiung von Auschwitz zusammenfiel. Aber wenn ein Künstler nur mehr versucht, politisch korrekt zu denken, hat er nichts mehr zu sagen. Das ist nur eine andere Form der Zensur. Ich war zu jung, um die Kontrolle in der UdSSR verstanden zu haben, aber ich habe in Deutschland den Eindruck gehabt, daß das Alibi der political correctness dasselbe hier ausübt.

Und Sorokin, hat er die Inszenierung gesehen?

Er kam nach Frankfurt und nach Gladbeck zur Ruhrtriennale. Er ist ganz anders, als man ihn sich vorstellen würde, wenn man nur seine Bücher kennt. Er ist sensibel und sehr feinfühlig. Für mich einer der spannendsten Künstler überhaupt heute. In Russland ist er sehr bekannt, er ist kein Dissident des Untergrunds, vielmehr ein Dissident des Kommerzes.

Fragen: Cristina Piccioni
Übersetzung aus dem Italienischen: Brigitte Fürle