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Spielplan


Termine Kleines Haus:

03. April 2005

Hörspiel des Jahres 2004





/ Preisverleihung durch die Deutsche Akademie der Darstellenden Künste
/ Sonntag, 3. April 2005 / 11 Uhr / Kleines Haus

/ Zum „Hörspiel des Jahres 2004“ ernennt die Jury der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste
„Für eine bessere Welt“ von Roland Schimmelpfennig.
/ Regie: Leonhard Koppelmann
/ Produktion: Hessischer Rundfunk

Allgegenwärtige Kriege sind das Thema in Schimmelpfennigs ursprünglich für das Theater verfaßten Vorlage. In martialischer Dschungelszenerie kämpft jeder gegen jeden, mancher gegen sich selbst, aber alle sind dabei, irgendwo im Nirgendwo. Der Sinn geht den Akteuren ebenso abhanden wie ihre Individualität. Dazwischen dringen – radikal verschnitten mit den Kriegssituationen – Szenen aus dem oberflächlichen Alltag einer Gegenwartsgesellschaft: Werbeshootings, eine Kampagne für – ausgerechnet – kalten Kaffee.

„Für eine bessere Welt“ spiegelt in Inhalt und Umsetzung die Zapping-Haltung und Oberflächlichkeit der Medienwelt und liefert eine zuweilen erschreckend aktuelle Projektionsfläche für zahlreiche Assoziationen, Interpretationen und Reaktionen. Selbst ein Bild wie das aktuell um die Welt gehende Foto jenes dickbäuchigen Touristen, der am Strand vor den Trümmern und Leichensuchern nach der Tsunami-Katastrophe ungerührt sein Dosenbier trinkt, kann im Kopf des Hörers auftauchen – ohne freilich im Hörspiel tatsächlich Erwähnung zu finden. Aber auch Schimmelpfennig, prominenter Vertreter des neuen deutschsprachigen Autoren-Theaters, liefert ein Nebeneinander von eigentlich Unvereinbarem, zeigt beliebig an- und abschaltbare Emotion. Die Konfrontation dieser gegensätzlichen Welten schafft unvermutete Parallelen: Die Akteure funktionieren, das Leben muss weiter gehen. Wozu, bleibt irrelevant. Die Umsetzung dieser Thematik betreibt der Regisseur mit enormem akustischem Aufwand.
Als Sprecher besetzt er eine Riege junger Schauspieler, die weniger als Individuen hervortreten als vielmehr als gut funktionierendes Ensemble. Das agiert in einem dichten Gewebe aus gesprochenem Wort, Musik, Geräuschen und dokumentarischem Originalton. Absurd und wahnhaft, nicht-linear montiert.

Koppelmann liefert damit ein extrem dynamisches Ohrenkino in rasanter, auf das akustische Medium übersetzter Videoclip-Ästhetik. Ein mediales Dauerfeuer entsteht, wie es auch TV-Konsumenten erleben, die sich im Sekundentakt durch Kriegsreportagen, Werbung, Daily Soaps, Fantasy Trash und wieder zurück zappen, und das den assoziativen Möglichkeiten, die die Textvorlage eröffnet, vollkommen angemessen ist. Ein Hörspiel, das sowohl Unterhaltung als auch Statement ist – oder doch immerhin sein kann.