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07. / 08. / 09. / 12. / 13. März 2005

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Gespräch über "Raus aus hier"

Raus aus hier. Trainieren für Utopia

Gespräch über "Raus aus hier"


Raus aus hier
Im Gespräch mit Natalie, Nina, Gustav und Johannes von JAGO! über die aktuelle Produktion des Jugendclubs.

Eure aktuelle Arbeit hat den Titel „Raus aus hier!“ Was meint das?

Natalie: Hier, das ist der Status quo, in dem sich jeder individuell befindet und aus dem jeder, also alle aufbrechen wollen. Raus, meint die persönliche Veränderung

Gustav: Die Flucht, man will sich in ein schöneres Utopia flüchten, in eine heile Welt, die man aber eigentlich gar nicht fassen kann, wo man aber in jedem Fall hinwill.

Natalie: Deswegen will man ja auch Raus aus hier. Raus dahin ist gar nicht greifbar, sondern nur das hier ist greifbar, insofern, dass man weiß, das alles ist unerträglich, ich muss erst mal weg.

Nina: Wir haben in erster Linie das Thema Aufbruch, dass man aus einer Situation oder von einem Ort, an dem man sich gerade befindet, raus möchte.

Gustav: Man ist ja nie zufrieden, so wie es jetzt ist. Man fühlt sich immer wieder in Aufbruchstimmung, in jeglicher Situation.

Johannes: Es geht auch um die durch die Auseinandersetzung. Man hangelt sich von Hoffnung zu Hoffnung. Man gräbt sich durch eine Mauer durch und da ist dann auch schon wieder die nächste.

Natalie: Man ist also permanent auf der Suche nach seinem eigenen Utopia. Und wenn man dann irgendetwas gefunden hat, ist es dann doch nicht so, wie man es haben will.

Johannes: Es ändert sich auch immer wieder dieses Utopia, das vom Ende ist nicht das des Anfangs, sondern es entwickelt sich immer weiter.

Wie wird das auf der Bühne erzählt?

Gustav: Es geht los mit einem Chat …

Natalie: Eigentlich geht es ja los mit einer Traumsequenz

Nina: Die ist auch wahnsinnig wichtig …

Johannes: … weil hier das Grundproblem beschrieben wird, diese erste Aufbruchsituation im Leben: Von der Mutter weg. Ein schöner Prolog.

Gustav: Dann kommt die Chartsequenz. Jeder sagt, wo er hin will und wie er da hin will. In jedem brodelt es. Daraus entsteht dann die erste Transitgeschichte …

Natalie: … in der sich die Figuren einander annähern, man beäugt sich so und dann geht es aber auch schon gleich los auf die Reise. Aber die Maschine kollabiert und man sitzt fest, dann wartet man und schläft und wartet und schläft und wartet.

Johannes: Anfangs macht das auch Spaß, aber dann wird es immer öder und immer verzweifelter. Alle beginnen immer wieder irgendwelche Spiele zu spielen bis zu einem letzten verzweifelten Ausbruchversuch.

Was bedeutet es, keinen Stücktext zur Grundlage zu haben? Wie gestaltet sich das Arbeiten in diesem Fall?

Johannes: Weil von Anfang an immer schon ein Thema die Großstadt war, haben wir viele Improvisationen zur Großstadt gemacht. Wir haben uns selbst Stadtgeschichten ausgedacht und aufgeschrieben, einer hat sie vorgelesen und andere haben diese Geschichte gespielt.

Gustav: Jeder sollte seine eigenen Eindrücke zur Stadt beitragen, was für ihn Stadt ist oder wie er sich die Stadt vorstellt. Wir haben auch einen Rap, wo jeder diese Eindrücke darstellt: Menschen, Farben oder Slogans.

Natalie: Also auf der einen Seite haben wir Texte von Dramatikern und andererseits haben wir Szenen wie Transitgänge, wo alle als Ensemble agieren, das entsteht im Probenprozess.

Johannes: Alle diese Autorentexte haben keine Handlung im eigentlichen Sinn, es sind assoziative Texte.

Natalie: An denen bemerkt man dann auch schon die Langeweile, die aufkommt, wenn man wartet und nicht von der Stelle kommt und doch ausbrechen möchte.

Gustav: Wir erzählen viel über Bilder und Choreographien, die den Zuschauer ansprechen sollen. Das Ganze hat nicht vor allem vorwärtsstrebende Momente. Der Anfang könnte auch das Ende sein. Das ist eine neue Erfahrung, diese Art von Theater und Einlassung, ohne gleich alles zu erfassen und sich zu sagen, ich bin jetzt erst einmal ein Mosaiksteinchen und sehe zum Schluss ein wunderschönes Bild, obwohl ich das als einzelner nicht erkennen kann.

Johannes: Die Arbeitsweise ist vor allem so, das wir viele Angebote machen und dass Anna auswählt und entscheidet, was ist gut. Dadurch kommt man viel näher an die Rollen, sie entsteht aus einem selber.

Gustav: Manchmal gibt man 100 Prozent und Anna knappst ein bisschen was davon weg.

Johannes: Oder man gibt nur 30 Prozent und wird zu 100 gestichelt

Nina: Ich mag, dass es keine starre Rollen sind und ich mag, dass wir solche weiten Räume haben und man viel öfter man selbst ist, als man eigentlich denkt.

Wo hat das alles konkret mit euch zu tun?

Johannes: Also ich finde in ganz vielen Momenten, weil viele von uns gerade in dieser Situation sind, an einem Punkt nämlich nach der Schule oder nach dem Zivildienst, wo man sich mit diesen Fragen auseinander setzten muss: Wo will ich hin? Was will ich?

Natalie: Die Rolle, die ich spiele, ist dann eher genau das Gegenteil von dem, was ich bin, ein totales Kontrastprogramm.

Nina: Vor allem, weil ich auch privat weiß, dass ich so, wie es jetzt im Moment geht, nicht weiter machen will, ich aber auch nicht genau weiß, wohin es gehen soll und deshalb dieses immer wieder probieren und irgendwie schön finden und dann doch Scheitern auch wahnsinnig gut nachempfinden kann.

Gustav: Ich mag sehr an unserem Stück, dass wir viele Szenen haben, in denen eine große Anonymität rüberkommt, dass jeder allein ist. Im Grunde genommen haben alle das eine gemeinsam, dass sie einen Traum haben und dass sie ihn verwirklichen wollen, aber dennoch bleibt man anonym mit seinem Traum.

Johannes: Unsere Figuren sind eingeschlossen und auf sich allein gestellt und gezwungen, über sich nachzudenken. Das finde ich auch das schöne an der Situation.

Welche Rolle spielt Musik?

Natalie: Wir haben eine D-Jane, die nur für die Musik verantwortlich ist. Die Musik begleitet uns durch das ganze Stück und untermalt die Stimmungen, die aufkommen …

Gustav: … und gibt dem Ganzen im wahrsten Sinne des Wortes einen Rhythmus, der immer sehr unterschiedlich ist.

Nina: Es gibt aber auch immer Wiederkennungsmomente, wo ein gleiches Thema wieder auftaucht und etwas ganz bestimmtes auslöst. Da bilden sich dann Einheiten.

In welcher Raumsituation spielt ihr?

Natalie: Zwischendeck. Sehr weitläufig, weil die Stadt im Hintergrund ist, vor allem wenn es draußen dunkel ist und die Lichter an sind. Das Publikum sitzt nicht in einem Theatersaal.

Gustav: Es ist ganz dreidimensional.

Natalie: Wir bespielen vor allem die Treppen und das veranschaulicht auch dieses Auf und Ab, wenn man auf der Suche ist nacht etwas.