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Termine schmidtstrasse12:

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06. / 12. / 21. / 28. Februar 2004
04. / 13. / 19. März 2004
01. / 22. April 2004
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Lolita

nach dem Drehbuch von Vladimir Nabokov Premiere: 16. Januar 2004 / schmidtstrasse12
Dauer 1h 35 min

Regie: Florian Fiedler; Bühne: Selina Peyer; Kostüme: Selina Peyer; Dramaturgie: Sibylle Baschung; Darsteller: Babett Arens, Roland Bayer, Rainer Frank, Ruth Marie Kröger, Andreas Leupold


Ein Mann, ein Mädchen, eine Liebe, eine Obsession. Eigentlich war Humbert Humbert, Alter: 37, der festen Überzeugung, keinen Tag länger als unbedingt nötig in dem Provinznest Ramsdale zu verbringen. Doch dann entdeckt er sie: Dolores Haze, Verkörperung seiner Sehnsucht, Liebe seines Lebens, Alter: 12. Um in Lolitas Nähe zu bleiben, heiratet er deren verwitwete Mutter. Als „die alte Haze" bei einem tragischen Autounfall stirbt, ist der Weg frei: Stiefvater und Stieftochter werden ein Liebespaar. Die Reise quer durch Amerika entwickelt sich zu einem Trip zwischen Liebe und Berechnung, Lust und Qual, Euphorie und Erpressung. Der Versuch, in ein bürgerliches Leben zurückzufinden, scheitert. Verfolgt von dem Dramatiker Clare Quilty und der Angst, entdeckt zu werden, flieht Humbert mit Lolita, bis diese plötzlich verschwindet...


Trauriger Falter

Nabokovs „Lolita“ im Schauspiel Frankfurt

Vom 19.01.2004
Von Ines Steiger

Ein Zimmer in einer billigen Absteige. Vor dem zerwühlten Bett liegen Pantoffeln mit spitzen Absätzen und roten Riemchen. In der Mitte der Bühne mäandern schwarze Socken um ein paar Männerschuhe. Aus dem wie ein Kokon zusammengerollten Teppich ragen die Hände von Vergewaltiger und Opfer. Plötzlich erklingt dämonisch röhrende Rockmusik. Als Humbert Humbert, ein Mann Ende Dreißig, schließlich von dem zwölfjährigen Mädchen ablässt, hat es hohle Wangen und einen leeren Blick. In seinem schwarzen Kleidchen sieht Dolores Haze alias Lolita wie ein trauriger Nachtfalter aus.

Der 1955 in den USA erschienene Roman „Lolita“ zeichnet aus der Sicht eines erfundenen Täters die Geschichte eines Kindesmissbrauchs nach. Das Buch machte den Dichter Vladimir Nabokov weltberühmt.

Regisseur Florian Fiedler, geboren 1977, straffte und kürzte für seine Inszenierung am Frankfurter Schauspiel das Drehbuch zum Roman. Und er kommt auf den Punkt. Die Aufführung, eine Art kurzweiliger Bilderbogen mit bei aller Tragik durchaus komischen Szenen und musikalischen Einsprengseln lässt keinen Zweifel: Mitwisser und Nutznießer machen den Kindesmissbrauch erst möglich.

Gleich zu Beginn verkündet Clare Quilty (Roland Bayer) als scheinbarer Moralist mit erhobenem Zeigefinger: die verführerische Kindfrau, es gibt sie nicht.

Sie entsteht nur in den Köpfen, etwa wenn Mutter Charlotte Haze (Babett Arens) ihre Tochter ungeniert als Lockvogel benutzt, um Humbert Humbert als Untermieter und potentiellen Ehemann zu ködern: „Mein Garten, meine Blumen, meine Lolita“. Der Zimmerwirt vom Motel wünscht „Vater“ und „Tochter“ eindeutig zweideutig „Leinen los und viel Vergnügen“, die Nachbarin schimpft einzig über den Krach. Es ist nichts als Wunschdenken, so legt die Inszenierung Fiedlers schlüssig nahe, das aus dem Mädchen Dolores die Verführerin macht.

Ein Glücksgriff ist Ruth Marie Kröger, die die Rolle der Lolita in ihrer Vielschichtigkeit auslotet. Sie beherrscht den kindlichen Gestus und ist eine selbstvergessene, lebenslustige Göre, als sie sich vom gleichaltrigen Kenny (Rainer Frank) das Rollschuhfahren beibringen lässt. Ihrem Peiniger gegenüber spricht das Mädchen, wenn auch vergeblich, Klartext. Verstrickt in ein Netz aus Erpressung und ambivalenten Schuldgefühlen wird Lolita schließlich kalt und berechnend.

Als tolpatschigen, verschlagenen Lulatsch mit irrem Blick gibt Andreas Leupold den Kinderschänder Humbert, der die Mutter heiratet, um die Tochter zu verführen. Ein ziemlich kaputter Typ also, der nicht zum Einfühlen einlädt. Am Ende kann er seinen Nebenbuhler, den Pornofilmer Quilty, gerade noch rechtzeitig erschießen, bevor der sich den Namen Lolita genießerisch auf der Zunge gehen lässt. Lolita aber ist bei Fiedler vor allem eines: ein Kind in Not.

Allgemeine Zeitung Mainz, Feuilleton