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Spielplan


Termine Kleines Haus:

12. Oktober 2005

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mannMachtmann

/ Männerbande. Männerbünde
/ Ein Projekt von Alexander Brill
/ laiensclub
/ Premiere: 8. Oktober 2005 / Kleines Haus
/ Mit: Jens Eichler, Michael Haase, Raphael Fülop, Eduard Müller, Stephan Müller, Michael Schmitt, Florian Stamm, Bernd Winter

Regie: Alexander Brill; Bühne: Henrike Bromber; Kostüme: Henrike Bromber; Dramaturgie: Peter Kroher


/ Choreinstudierung: Günther Lehr
/ Körperarbeit: Anthony Rizzi
/ Wissenschaftliche Beratung: Gisela Völger

Studentische Verbindungen, Burschen- und Schützenvereine, Bruderschaften aller Religionen, Mönche, geistliche Orden,
Hoforden, Offizierskorps’, Kleriker, Freimaurer, Lions, Rotarier, Zünfte, wirtschaftliche, wissenschaftliche und politische Eliten, die Mafia usw.: Männerbünde haben die Ordnung und Strukturen geschaffen, in denen wir leben.
Männerbünde sind keineswegs naturgegebene Einrichtungen, sondern in bestimmten historischen Momenten entstandene Organisationen, die auf dem
Ausschluß von Frauen basieren. Mit der Mitgliedschaft in einem Männerbund ist die Anerkennung von Werten und geistigen
Zielen verbunden, die häufig eine Überspitzung des in der jeweiligen Gesellschaft geltenden Wertesystems darstellen. Insofern gewährleisten Männerbünde das Aufrechterhalten von Traditionen und vermitteln ihren Mitgliedern
zugleich Geborgenheit und Aufgehobensein. Männerbünde haben ein festgelegtes Regelwerk aus Rechten, Pflichten und
Aufgaben. Sie dienen dem Aufbau informeller Netzwerke, die im Berufs- und Geschäftsleben
und der Politik von Nutzen sind, in Bereichen, die nach wie vor beinahe ausschließlich von
Männern kontrolliert werden (Konrad Adenauer: Mer kenne uns – mer helfe uns!). Die Zahl und Machtfülle von Männerbünden
steigt mit der Komplexität von Gesellschaften. Nirgends gibt es mehr Männerbünde als in der
westlichen Welt. Kennzeichnend für Männerbünde sind Aufnahmerituale. Zwei
Phänomene werden dabei deutlich: Erstens schwingt in vielen dieser Aufnahmerituale schwingt die Vorstellung mit, daß die Geburt
und die Erziehung eines Jungen durch die Frau nicht ausreichen, um aus ihm einen richtigen Mann zu machen. Erst wenn er durch
Männer sozusagen nachgeburtlich behandelt wird, etwa durch Beschneidung, Taufe, Kommunion, Konfirmation, Pfadfinder, Sport,
jede Art von Kultur, Schinderei beim Militär u. v. a. m., wird aus dem unfertigen Wesen durch die zweite, die so genannte ›soziale
Geburt‹, ein vollgültiger Mensch. Häufig handelt es sich dabei um Übergangsriten, die in einem Kollektiv erlebt werden. In ihrem
Verlauf legt der Junge seine alte Identität ab und erhält eine neue, d. h. er bekommt ein "vermeintlich höheres Selbst". Zweitens impliziert die ›soziale Geburt‹, daß auch der Mann in der Lage ist, zu gebären. In der Tat
finden sich in den Aufnahmeriten vieler Männerbünde immer wieder symbolische Gebärrituale. Das führte zu der – mittlerweile nicht mehr angezweifelten – These, nicht der Penisneid der Frauen (Freud), sondern der Gebärneid der Männer bestimme die Regeln des Sozialverhaltens. Dementsprechend prägt kaum etwas anderes die Geschlechterbeziehungen und das soziale
Miteinander so nachhaltig wie die kulturelle Nachahmung des natürlichen Geburtsvorgangs durch Männer. So sind der hinduistische Gott Vishnu, der christliche Gott
und der altgriechische Okeanos die Schöpfer der Welt und der Frau, Zeus gebärt Athene aus seinem Kopf und Dionysos aus seinem Oberschenkel (auch im australischen und indonesischen Raum finden sich solche
Überlieferungen). Eva wird aus der Rippe des Menschen (!) geschaffen, und die Männer
beschreiben seit eh und je ihre Kulturtaten, Produkte, Konzepte und Theorien bis hin zu den Metaphern des Staates mit Bildern des Gebärens. Sie gehen mit Ideen schwanger, sie brüten aus, sie hauchen Leben ein, sie
schenken Leben, sie kreieren, sie tragen aus, sie bringen hervor, sind guter Hoffnung, ihre Pläne reifen, ihre Arbeit trägt Früchte, sie erzeugen Wachstum, sie gründen Tochterfirmen, und wenn sie Pech haben, war eine ihrer Ideen oder Taten ein tot geborenes
Kind. Wie soll man derartige weltumspannende Mythen und Kreißsaal-Metaphern anders deuten, denn als Ausdruck für den kompensatorischen Wunsch der
Männer, der Gebärfähigkeit der Frau auf der Ebene der Kultur eine Ersatzleistung entgegenzustellen und ihr so nicht nur ihre einmalige Fähigkeit abzusprechen, sondern
sie gleichzeitig für kulturunfähig zu erklären?
Wie in der Kölner Ausstellung* haben wir für unser Projekt dem Terminus Männerbünde das Wort Männerbande zur Seite gestellt.
Die Doppeldeutigkeit des Begriffs ist durchaus beabsichtigt. Wir wollen damit deutlich machen, daß die emotionalen Beziehungen,
die sich zwischen den Mitgliedern eines Männerbundes entwickeln, vielfach das Rückgrat der Bünde bilden. Gemeint ist damit nicht alleine das homoerotische Moment, das sicher auch eine Rolle spielt. Wichtiger sind uns die intensiven emotionalen Beziehungen, die aus dem einzigartigen Erlebnis entstehen, im männlichen Kollektiv die vielfach sado-masochistischen Rituale auszuhalten. Solche
anstrengenden und leidhaften Erlebnisse, über die Schweigen bewahrt werden muß, sind
offensichtlich der Garant für den Zusammenhalt. (Alexander Brill)

*Das Konzept unseres Projekts
mannMachtmann stützt sich auf den umfangreichen zweibändigen Katalog zur Kölner Ausstellung ›Männerbande / Männerbünde – Zur Rolle des Mannes im
Kulturvergleich‹ (herausgegeben von Gisela Völger und Karin von Welck, Rautenstrauch-Joest- Museum, Köln 1990).

In dem Doppelabend "mannMachtmann. Ein Projekt von Alexander Brill" und "Ein Sportstück" von Elfriede Jelinek setzen sich acht junge Männer beziehungsweise neun junge Frauen mit den gesellschaftlichen Rollen, in die sie hineinwachsen, auseinander. mannMachtmann beleuchtet die ›Produktion von Männlichkeit‹ (Simone de Beauvoir: »Man wird nicht als Mann geboren, man wird erst dazu«), zeigt die Wege und Stufen der Gefühls- und Körpersozialisation des Jungen, bis er endlich ein Mann ist
(Herbert Grönemeyer: »Wann ist ein Mann ein Mann?«).

Ein Sportstück geht der Frage nach, wie junge Frauen mit dem Spannungsverhältnis zwischen ihrem Wunsch nach individueller
Körper- und Lebensgestaltung und der medialen Diktatur des Schönheits-, Schlankheits-, Sportlichkeits-, Jugendlichkeits-, Sexysein-Wahns umgehen (»Der weibliche Körper muß schön sein, das macht Arbeit!« – Jelinek). Wie bearbeiten sie die Zwänge dieser
Vor-Bilder? Wie beeinflussen diese Bilder die Wahrnehmung des eigenen Körpers? Wie wirken sie sich im Verhältnis zu Männern
aus? Wie zu anderen Frauen? Wie beeinflussen sie die Sexualität der jungen Frauen? Gibt es kein Entrinnen? Wie sähe ein ›neues‹ Selbstbewußtsein aus? Kann es das geben?

Die beiden Inszenierungen werden sowohl zusammen als auch einzeln gespielt.