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Spielplan


Termine Großes Haus:

31. Oktober 2002

Filmretrospektive und internationales Symposion

Germaine Dulac
Am 31.10.2002 präsentieren die Kinothek Asta Nielsen und das schauspielfrankfurt in Zusammenarbeit mit dem Fernsehsender Arte die beiden Filme La Belle Dame sans merci und L’Invitation au voyage der französischen Regisseurin Germaine Dulac (1882 – 1942).
Beide Stummfilme werden von Livemusik begleitet. Die Komposition für L’Invitation au voyage erlebt an diesem Abend ihre Welturaufführung.




Arte vergab den Kompositionsauftrag an Catherine Milliken vom Ensemble Modern. Der lange Spielfilm La Belle Dame sans merci wird in aufwendig restaurierter, farbiger Fassung zu sehen sein. Er gelangt in der international vielbeachteten Musikfassung von Maud Nelissen zu seiner deutschen Erstaufführung. Diese entstand anlässlich der Restaurierung des Films 1997 und wurde unter anderem bei dem Filmfestival Cinema Ritrovato in Bologna, beim Internationalen Filmfestival Rotterdam und beim Nederlands Filmmuseum in Amsterdam aufgeführt.
Der Abend ist die Eröffnung einer Filmretrospektive, in der erstmals das ganze noch vorhandene und derzeit zugängliche filmische Werk der Öffentlichkeit vorgestellt wird. Die anderen Filmvorführungen der Reihe finden im Kino des Deutschen Filmmuseums statt. Parallel dazu befassen sich im Rahmen eines internationales Symposions ExpertInnen aus dem Bereich der Filmkritik, Filmwissenschaft, Publizistik und der Kinoarbeit mit der filmtheoretischen und -politischen Arbeit Germaine Dulacs.
Germaine Dulac
Germaine Dulac (1882 – 1942) ist eine der wenigen frühen Regisseurinnen, die in der Filmgeschichte überliefert sind. Zu ihren Lebzeiten eine Institution, wird ihr Werk heute nur partiell wahrgenommen. Ein Großteil ihrer Filme ist – zumindest einem breiten Publikum – unbekannt. Germaine Dulac ist jedoch eine hochinteressante Regisseurin, die im Kontext des französischen Impressionismus und Surrealismus arbeitete und die noch in den
40er Jahren Dokumentarfilme gedreht hat. Sie stand im Zentrum der filmkritischen und theoretischen Debatten im Frankreich der zwanziger Jahre.
“Bewegung ist zentrales Element in Dulacs Filmtheorie, zur Avantgarde gehört sie gerade deshalb, weil sie ihr Leben lang in Bewegung bleibt. Ihrer Filmtheorie, mit der sie das Kino vom ‚Ballast der kulturellen Tradition‘ befreien will, entspricht ihr Lebensstil. Als Tochter aus großbürgerlichem Hause bricht sie mit den Konventionen ihrer Herkunft. Mit 23 heiratet sie einen radikalen Sozialisten. Siebzehn Jahre später läßt sie sich scheiden um mit ihrer Freundin zusammenzuleben. Ihre Karriere als Regisseurin war mit der Stummfilmzeit zu Ende gegangen. Anfang der 30er Jahre wird sie künstlerische Leiterin der Filmproduktionsfirma Gaumont. Für die Filmwochenschau dieser Firma realisiert sie noch einige Dokumentarfilme. Im aufkommenden Faschismus hat die Avantgarde keinen Platz mehr. Germain Dulac stirbt 59jährig im besetzten Paris.” (Catherine Silberschmidt: Germaine Dulac-Filmpionierin der 20er Jahre, Argument Sonderband 144)

L’Invitation au voyage
Frankreich 1927
Buch und Regie: Germaine Dulac, nach einem Gedicht von Charles Baude-laire
Regieassistenz: Marie-Anne Malleville
Kamera: Paul Guichard, Bellavoine
Darsteller: Emma Gynt, Raymond Dubreuil
Schwarzweiß, stumm
Länge: 30 Minuten

“Dulacs L"Invitation au voyage nimmt ein paar Zeilen des gleichnamigen Ge-dichts von Baudelaire zum Anlaß: ,Mon enfant, ma sœur, songe à la douceur d"aller vivre là-bas, ensemble‘. Der Film ist keine Illustration des Gedichts, sondern ein Versuch, die darin evo-zierte Stimmung ins Kino zu übersetzen - ein gewagtes Unterfangen. Die Handlung dient nur gerade als Vorwand zur Erschaffung von Atmo-sphäre und zur Schilderung emotio-naler Zustände. Zentrales Motiv ist die Flucht, die Sehnsucht nach einem anderen, paradiesischen Ort. Dieser Wunsch ist der Subtext, der die minimale Erzählung von Dulac strukturiert: Eine verheiratete Frau bricht aus ihrem unerfüllten Ehealltag aus und sucht ein Abenteuer in einer Bar; wo sie einen jungen Schiffskapitän trifft. Den ZuschauerInnen wird so die subjektive Welt der Protagoni-stin erschlossen, auf Kosten der räumlich-zeitlichen Einheit des Geschehens im Film. Der Blick nach innen, die Darstellung von Stimmungen, Gedanken und Gefühlen ist ein beliebtes und häufig verwendetes Stilmittel, nicht nur von Dulac, sondern im impressionistischen Kino überhaupt. Ohne Rücksicht auf die Kontinuität der Handlung wird das Geschehen so auf die Wahrnehmung der Figuren gelenkt.” (Cathérine Silberschmidt: Cinema 41, 1996)

Catherine Milliken und Ensemble Modern
Catherine Milliken (Komposition)
Catherine Milliken wurde in Australien geboren und ist seit 1980 Mitglied und Oboistin des Ensemble Modern. Als Komponistin erhielt sie bereits zahlreiche Aufträge, u.a. von ABC Radio Sydney, vom Chichester Festival Theatre, vom Staatstheater Darmstadt für die Kammeroper Muttersprache, vom Saarländischen Rundfunk und dem CCMIX Centre, Paris.
Mit Hermann Kretzschmar und Dieter Wiesner gründete Catherine Milliken 1994 das Label HCD Productions für Musikproduktionen, Konzeption und Durchführung von Programmen, das schon diverse Hörspielpreise gewonnen hat.
Im April 2002 wird die Uraufführung ihrer Installation: eye view (Theaterräume 1) beim Wittener Festival für Neue Kammermusik zu erleben sein.



La Belle Dame sans merci
Frankreich 1920
Regie: Germaine Dulac
Buch: Irene Hillel Erlanger
Kamera: Jacques Oliver
Darsteller: Tania Daleyme, Yolande Hillé, Denise Lorys, Jean Toulout, Pierre Mareg
Viragiert, stumm
Länge: 80 Minuten

“La Belle Dame sans merci gewann die Gunst all derer, die in Germaine Dulac eine Verkünderin der ‚stillen Kunst‘ sahen. Für das brilliante Drehbuch von La Belle Dame sans Merci zeichnet einmal mehr Irene Hillel Erlanger verantwortlich: Eine gefeierte Schauspielerin, einst verführt und dann verlassen von einem Mann der feinen Gesellschaft läßt nun ihrerseits die Männerwelt leiden als “Schöne Frau ohne Gnade”. Die filmische Umsetzung erhielt ebenfalls hohe Anerkennung, enthält der Film doch einige bestürzende fotografische Elemente und exzellente Darsteller.
Luis Delluc, dessen Aussage in diesem Zusammenhang von großem Interesse ist, schreibt: ‚La belle dame sans merci enthält inmitten zahlreicher eleganter und unterhaltender Szenen ein wunderschönes Bild. Es ist die Ansicht des Schwimmbeckens mit der fatalen und liebreizenden Tania Daleyme. Dieser Takt, die Sensibilität, der Sinn für Synthese, dieser Stil läßt einen an die besten Manets‘ denken.‘” (Charles Ford: Anthologie du Cinéma, 1968)

Maud Nelissen und Ensemble
Maud Nelissen (Klavier, Komposition, Arrangement)
Maud Nelissen ist seit vielen Jahren aktiv als Pianistin, Klavierlehrerin und zunehmend als Arrangeurin und Komponistin. Im Bereich der Stummfilmbegleitung hat Sie sich bereits internationale Anerkennung geschaffen. In Italien gab Maud Nelissen zusammen mit Charlie Chaplins Pianist und Arrangeur Eric James (geb. 1913) Meisterkurse in Filmbegleitung.Mit Unterstützung der Film in Concert Foundation wird Maud Nelissen mit Ihrem Filmorchester The Sprockets im Herbst 2002 in Belgien und den Niederlanden mit einem Filmprogramm auf Tournee gehen.

Wynanda Zeevarder (Sopran)
Wynanda Zeevarder hat in Zusammenarbeit mit Maud Nelissen bereits über 50 Filme musikalisch begleitet, darunter: Die lustige Witwe, Parsifal, Sangue Bleu, Maudit soit la Guerre und Heidenröslein. Die musikalische Bearbeitung zu Germaine Dulacs Film: La Belle Dame sans Merci wurde in Amsterdam und auf Festivals in Rotterdam und Bologna aufgeführt. Seit 1994 ist Wynanda Zeevarder Mitglied des Juerga Ensembles (romantisches und zeitgenössisches Repertoire) und sang in verschiedenen Ensembles (Insomnio/Calderon) z.B. Lieder von Theo Loevendie, Crumb, Stockhausen und Weill.
Mit der Akkordeonistin Greetje de Oude gibt sie ein Konzertprogramm, das von Opernarien von Puccini, Donizetti und Bellini, über Zigeunerlieder von Dvorak, Weill-Lieder und Ladino.Musik, bis zu Volksliedern aus Frankreich, Spanien und Italien reicht. Neben Ihrer regen Bühnenarbeit wirkt Wynanda Zeevarder bei vielen Radioproduktionen mit und leiht ihre wunderschöne und variationsreiche Stimme unter anderem der Synchronisation von Walt Disney Filmen.
Willem Korteling (Tenor, hoher Bariton)
Willem Korteling ist seit einigen Jahren Mitglied der “Nederlandse Opera” in Amsterdam.
Er begann seine Gesangskarriere in Chören und Ensembles, um sodann als Solist in Opern, Operetten und Oratorien mitzuwirken. Sein Repertoire umfasst geistliche und weltliche Musik, klassische und zeitgenössische Gesänge und die musikalische Begleitung von Stummfilmen.