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Spielplan


Termine Großes Haus:

25. / 26. / 27. Mai 2002

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Liliom

Franz Molnar
Gastspiel des Thalia Theater, Hamburg

Regie: Michael Thalheimer; Bühne: Olaf Altmann


„Es gibt Schläge, die man nicht spürt.“

Die umjubelte, umstrittene und zum Berliner Theatertreffen 2001 eingeladene Hamburger Erfolgsproduktion handelt von Liliom, einem jungen Schausteller und Ausrufer auf dem Jahrmarkt. Als er das Dienstmädchen Julie sieht, sich in sie verliebt und sie heiraten will, wird ihm von seiner Chefin (und ehemaligen Geliebten) gekündigt. Von da an lebt das junge Paar in Tristesse, Gewalt und Not, mehr gegen- als miteinander. Zwei Hoffnungsvolle beim hoffnungslosen Versuch, zu überleben. Als Julie schwanger ist, läßt sich Liliom zu einem Raubüberfall überreden, um einmal zu Geld zu kommen. Das Verbrechen mißlingt kläglich, sein Komplize entkommt, doch der unglückliche Liliom wird gestellt und ersticht sich, bevor er verhaftet werden kann. Im Jenseits zu sechzehn Jahren Fegefeuer verurteilt, erhält Liliom danach die Chance etwas Gutes für seine Frau und seine Tochter zu tun. Er darf für einen Tag auf die Erde zurück. In seinem Gepäck: ein Stern, den er vom Himmel gestohlen hat.

Pressestimmen

Diese Inszenierung ist ein Attentat – und die lautstarken Proteste, die sich nach eindreiviertel Stunden im Hamburger Thalia Theater in den heftigen Applaus mischen, hat sich der Regisseur redlich verdient. Der junge, hochbegabte Michael Thalheimer hat Franz Molnárs Rummelplatzklassiker Liliom so radikal entschlackt und entschmalzt, daß von all der schönen Prater-Seligkeit, vom Strizzi- und Dienstmadl-Sentiment rein gar nichts übrig geblieben ist. Statt Romantik gibt es Drastik, statt Tränen Sperma, statt Milieu glatte Wände, statt Budenzauber Piktogramme. Doch das Wunder geschieht: Molnárs Liliom überlebt das Attentat – und wirkt nun so vital, als sei’s ein Stück von Büchner oder Horvath […] Stark das Ensemble, großartig die beiden Hauptdarsteller: Peter Kurth in der Titelrolle, eine linkische Masse Mann mit strähnigem Haar und Armen wie Schaufeln, Fritzi Haberlandt als seine schwangere Julie, dürres Elend im roten Röckchen, mit Fingern, die sich erbarmungswürdig winden und verdrehen. Seelenverwandte in einer Welt von Spießern, Ausbeutern und Ganoven – mit einer einzigen stummen Bewegung, einem hilflosen Schlenkern der Arme aus der Hüfte heraus (er tut es zu Beginn, sie am Ende), erzählt die Regie eine schrecklich-schöne Liebesgeschichte. Molnárs Liliom ist hier wahrhaftig wiedererstanden. Und Thalheimers Inszenierung ein starkes Stück.
Gerhard Jörder, Die Zeit


Molnárs Stück, das gewöhnlich in stimmungsvollem Rummelplatz-Ambiente gezeigt wird, verwandelt der Regisseur in eine beklemmende Guckkastenbilderserie, die durchaus aus einem Jahrmarktsgruselkabinett stammen könnte. Jede der Figuren auf der Bühne hat einen seltsamen Tick, zupft sich am Kleid oder schlenkert bedrohlich mit den Armen – und jeder der Akteure bleibt allezeit für sich allein. Über den Köpfen der Mitspieler leuchten riesige Piktogramme auf, die mal im Schnelldurchlauf rasen und dann wieder die Szene dominieren: Erst sieht man einen Mann allein, dann Mann und Frau, zuletzt, als Julie schwanger ist, Mann, Frau und Kind: eine Koalition von Ampelmännchen, die am Straßenrand des Lebens stramm stehen und einander nie berühren. Das alles bliebe prahlerisches Konzepttheater – wären da nicht der grandiose Mistkerl Kurth und die wunderzarte, wundertrotzige Julie-Darstellerin Fritzi Haberlandt an seiner Seite. Der kindliche Starrsinn, der bewußte Wahnwitz, mit dem die junge Frau einem Mann verfallen ist, der nicht anders kann, als ihr aus Liebe wehzutun: Das ist, so wie Haberlandt es spielt, das Thema von Thalheimers wüster Inszenierung – und zugleich ihre glänzende Rechtfertigung. Denn von nichts anderem handelt auch Molnárs Stück.
Wolfgang Höbel, Der Spiegel