Child in Time
Daniel Keiser
Gestern hörte ich Ingo Hülsmann und seine Kollegen vom Deutschen Theater deklamieren. Verzeiht, aber dieser Faust war ein einziges hölzernes und einfallsloses Trauerspiel! Den verzweifelt nach Erkenntnis strebenden Gelehrten hat man Ingo Hülsmann ebenso wenig abgenommen, wie den für Gretchen entbrannten, verjüngten Liebhaber. Mal leierte er seinen Text herunter, mal gestikulierte er bedeutungsschwanger, aber immer wirkte er in seiner angestrengten Haltung, als habe er vor seinem Auftritt schnell noch einen Besenstiel verspeist. Von dem körperlichen und geistigen Wandel, den die Figur im Laufe des Stückes durchmacht, war dabei nichts zu spüren. Auch der Regie war hierzu nichts besseres eingefallen, als den Übergang von der Gelehrten - zur Gretchentragödie einfach wegzulassen und statt dessen den alten Gassenhauer "Child in Time" von Deep Purple einzuspielen. ( Ist jetzt Faust das "Child in Time" oder sind wir das nicht irgendwie alle )? Für Horst Lebinsky schließlich wäre es angesichts der stocksteifen Darbietung seines Partners ein Leichtes gewesen, sich als Mephisto in den Vordergrund zu spielen. Doch leider war dieser Mephisto im grünen Pulli nicht im geringsten gewitzt, zynisch oder gar teuflisch. Seine wenigen, gut gemeinten Slapstick - Einlagen verpufften wirkungslos. Nur gut, dass in diesem Frühjahr auch die ideenreiche Hamburger Faust - Inszenierung mit ihren spielfreudigen und charismatischen Darstellern in Frankfurt zu sehen war. Die Erinnerung an jenen Abend im Mai lässt Thalheimers "Faust"ganz schnell vergessen. Und das ist auch gut so.
Für Kenner des Stücks ein Genuss!
Norma Schneider / queen_of_gondor@t-online.de
Wundern Sie sich nicht, dass ich schon jetzt eine Zuschauerrezension schreibe - ich habe die inszenierung bereits als Gastspiel in Wiesbaden gesehen. Meine Meinung: Für jemanden, der wie ich, das Stück gelesen hat und mit der Handlung und den Zusammenhängen verraut ist, ist diese Inszenierung ein Genuss. Die Schauspieler sind erstklassig und das Bühnenbild überzeugt durch Nichtvorhandensein: Kein Schnickschnack, nur Theater!!! Die einzigen verwendeten Requisiten sind ein Glas Wasser, ein Bett und das berühmte Schmuckkästchen. Das ist so einfach wie genial. Es stecken wirklich gute Einfälle in dieser Inszenierung und das Zuschauen macht Spaß. Für jemanden, der mit dem Stück nicht vertraut ist, befürchte ich aber, werden bei dieser Inszenierung die Zusammenhänge nicht klar. Wichtige Szenen (wie die Verjüngung Fausts), die für Schlüssigkeit des Ganzen meines Erachtens sehr wichtig sind, wurden einfach weggelassen. Viele Dinge, die für das zusammenhängende Verständnis der Handlung wichtig sind, kommen nicht vor. Also - für Faust-Kenner ein wahrer Genuss, für Nicht-Kenner verwirrend.