Susanne Buchenberger als die selbstbewusst-dominante Josie mit ihrem Herzen aus Glas, die dieser Rolle jene O’Neill’sche Ambivalenz zwischen emanzipierter Selbstbehauptung und unschuldiger Bemutterung zu geben vermag; Falk Rockstroh als ihr Vater, der polternd-mürrische, gewitzte Farmherr Phil Hogan, der in seinem weichen Kern mehr Zuneigung zu Josie hegt, wie es auf den ersten Blick scheint; und als „dead man walking“ James Tyrone jr., Christian Kuchenbuch, der sich in die Rolle des alkoholbestimmten „Lebemanns“ mit gebrochener Seele hineinspielt.
Die Dialoge zwischen Josie und Phil Hogan – wunderbar dynamisch in Szene gesetzt, mit Leichtigkeit und Natürlichkeit – sie vermitteln par excellence das, was aus O’Neill’s Zeilen und dazwischen sprüht: diese liebevoll-grobe, einander-nichts-vormachen-könnende und dennoch immer wieder die eigene Stellung zu untermauern suchende, manchmal derbe, manchmal bissige, mal traurige, mal witzige, aber jedenfalls von der Grundstimmung des Sich-Gegenseitig-Brauchens und –Respektierens gekennzeichnete Vater-Tochterbeziehung. Die Inszenierung und die Schauspielerriege finden das richtig gerüttelt Maß zwischen Rohheit und durchfunkelnder Zuneigung – tendenziell zugunsten der letzteren, insofern gut unterstrichen durch das Bühnenbild weicher Autoreifengummis als eine passende Aktualisierung der O’Neill’schen Steine-Metapher, die in „A Moon for the Misbegotten“ ja etwas anders als in den anderen O’Neill-Farmstücken („Beyond the Horizon“ und v.a. „Desire Under the Elms“) nicht so wesentlich und eindeutig für die Fassade äußerer Härte und Versteinerung steht.
Apropos Inszenierung: Warum die an sich gute Idee, die Rollenbeschreibung des Autors am Beginn von Josie, deren Bruder Mike und deren Vater Phil selbst vortragen zu lassen, gerade aber von James Tyrone jr. nicht, bleibt ein unergründlich Rätsel, war es doch nicht zuletzt diese Person im Stück, die Eugene O’Neill selbst bei den Proben in den 1940er-Jahren stets für fehlbesetzt – ja letztlich unbesetzbar hielt – weil sich jeder Schauspieler an dem autobiographischen Bild des Autors von seinem Bruder James zu messen hatte. Womit wir nach dem Lob für die Aufführung nun bei des Pudels Kern – der Kritik an der Inszenierung – angekommen wären: James Tyrone jr. und „seine“ Nacht unter dem Mond. Diese erhält nach kluger Straffung des Wegs bis dahin jenen notwendigen Platz, den sie braucht und Susanne Buchenberger bzw. Christian Kuchenbuch packen alle Register aus, um den Wendungen und Wandlungen der Charaktere, den Wechseln von laut und leise, langsam und schnell, grob und weich, banal und hintergründig gerecht werden zu können. Nur eines sei hervorgehoben: Kuchenbuch‘s James Tyrone-Blick des Terrors, wenn ihn im Suff die Geister von den Ereignissen rund um den Tod seiner Mutter jagen. Durch viel authentische Bühnenpräsenz kann somit der Zuschauer auch überraschend einfach mit, wo man beim Lesen des Theaterstück meinen würde, dass in zu rascher Wendung oder zu banaler handwerklicher Art ein Umschwung schwierig glaubwürdig zu inszenieren sein sollte. Über James Tyrone’s Schuldeingeständnis zu den Ereignissen rund um seiner Mutter Tod hinaus gelingt auch der so friktionsvolle Übergang noch, wo er sich ärgert, überhaupt geredet zu haben (Tyrone: „Deswegen habe ich es dir erzählt. Ich dachte – ... Irrtum meinerseits. Quatsch! Schwamm drüber. Zeit, dass ich gehe“) zu Josie’s Ihn-An-die-Brust-Nehmen („Du bist mir der Rechte, weggehn zu wollen, wo die Nacht, die ich dir versprochen habe, grade erst anfängt, unsre Nacht ...“). Doch dann ist es mir unmöglich, dem Regisseur noch zu folgen: Statt das einfach wirken zu lassen, was ist (Josie: „Er schläft. Schlaf in Frieden, mein Liebling“) bzw. noch die leichten Anklänge Josie’s über die unklare Qualität ihrer Liebe nachhallen zu lassen und der Szene jene poetische Holprigkeit oder holprige Poesie zwischen „I must be a poet“ und „... und das dumme Mondgesicht grinst schadenfroh herunter“ zuzugestehen, anstelle dessen will uns der Regisseur vormachen mit einem hektischen Gequassel Josie’s über ihre Apollo-Mission zum Mond, dem Hissen einer irischen Flagge dort und der harten Landung auf der Erde zurück, einen passenderen Neutext für die Transportierung des atmosphärischen Höhepunkts im Stück gefunden zu haben, worin er meines Erachtens nur scheitern kann. Dieser grobe Missgriff ist umso grotesker und ärgerlicher, wenn man das Stück nicht nur als ein Stück sieht, sondern – was einer seriösen Aufführung nur allzu gut anstünde – eingebettet in das Gesamt(Spät)werk des Autors begreift. Und wenn sich dann schon einmal Eugene O’Neill in diesem Stück durchringt „anders, als alle anderen Nächte“ zu sein, wenn er so etwas wie temporäre Ahnung von Erlösung zulässt, wenn er auf grandiose Weise mit der ganzen Palette an Sprache und Wendung in der Tonalität spielt (eben bis hin zu poetischer Note), dann wird die Notwendigkeit einer verfremdenden Konterkarierung der Stimmung des Höhepunkts zu einer noch unverständlicheren Entstellung. Das Vergreifen am Original passiert ja nicht nur durch den genannten Fremdtexteinschub, sondern setzt sich fort durch die Unterlassung der Passage am Morgen (Josie: „A virgin who bears a dead child in the night, and the dawn finds her still a virgin“) bis zum veränderten Ende, das ebenfalls schlüssiger im Hinblick auf den durch die Mondnacht etwas psychisch entlasteten „Untoten“ James Tyrone mit dem Original-Wortlaut Josie’s entlang der Straße blickend („May you have your wish and die in your sleep soon, Jim, darling. May you rest forever in forgiveness and peace“) geblieben wäre.
Als Fazit ein Theaterabend, der zeigt, wie durch sehr gute Schauspieler in den drei Hauptrollen viel von dem, was Eugene O’Neill so faszinierend in den Text „A Moon for the Misbegotten“ gelegt hat, fulminant bühnenwirksam etabliert werden kann, zugleich aber leider mit einem ärgerlich-bitteren Beigeschmack hinsichtlich der Inszenierung, die offensichtlich meint, gerade in der entscheidenden Szene – fast mutwillig oder besserwissend wirkend – vom Theaterstoff abweichen zu müssen.