TORQUATO TASSO

Zuschauerkritiken


Note "sehr gut"


Stefan Knop / stefan-knop(bei)web.de
Fünf großartig aufgelegte Schauspieler in einem anspruchsvollen Stück, das ist mein persönliches Fazit zu "Torquato Tasso". Speziell dem Duo Tischendorf / Kraushaar hätte ich gern noch weiter bei ihren mit viel Sprachgefühl vorgetragenen Auseinandersetzungen zusehen mögen - da werden Worte zu spitzen Papierfliegern, die von der Bühne aus auf unser aller Köpfe niederregnen. Den übrigen Rollen bleibt textbedingt weniger Raum zur Entfaltung, aber auch hier hat jedes Wort Präsenz, besonders bei Frau Kröger und Herrn Nimtz. Bravo!

Das Bühnenbild ist sehr minimalistisch gehalten, was der Inszenierung gut tut, weil sie damit an Zeitlosigkeit gewinnt und die Aufmerksamkeit umso stärker auf die Texte lenkt. Sicher wird dadurch auch die Fantasie der Zuschauer stärker beansprucht, was je nach Erwartung an den Theaterbesuch unterschiedlich bewertet wird. Mir persönlich hat es sehr gefallen.

Respekt für den körperlichen Einsatz der Schauspieler; sicher hat es bei den Proben einige blaue Flecken gegeben, bevor jeder Sturz perfekt saß. Wäre aus meiner Sicht in dieser Form nicht unbedingt nötig gewesen, hat mich aber auch nicht sonderlich gestört.

Für mich war es die erste Begegnung mit Goethes "Torquato Tasso", und stellenweise fühlte ich mich ein wenig mit dem sehr komplexen Text allein gelassen. Wirklich hinderlich war, dass das Verhalten der Rollen teilweise wohl bewusst vom "eigentlichen" Verlauf des Stückes abwich - insbesondere am Ende, als die Prinzessin erst Tasso umarmt und dann, als dieser die Umarmung erwidert, plötzlich schreit und sich nicht mehr bewegt. Warum daraufhin der Herzog sagt, Tasso käme von Sinnen, und die wie tot vor ihm liegende Prinzessin überhaupt nicht beachtet, habe ich erst nach Lektüre des Wikipedia-Artikels verstanden: Weil sie eigentlich gar nicht da herumliegt und auch Tasso gar nicht von sich aus umarmt hat, sondern ihn vielmehr nach einem von ihm ausgehenden Umarmungsversuch wegstößt und von der Bühne geht. Daher meine einzige Negativ-Kritik: Es ist ja schön und gut, wenn man Stücke neu interpretiert, aber irgendwie sollte auch die Neuinterpretation in sich stimmig und nachvollziehbar sein.


Susanne Weber
Toll!!! Einfach nur toll!

Ein guter Weg


Michael Ott / micha_ott@gmx.de
Zweifellos ist es eine gute Idee, das Stück an die gegenwärtige Zwei-Stunden-Norm anzupassen und ohne Pause zu spielen. Dem Tasso tut diese Intensivierung sichtlich gut. Auch (und vielleicht gerade) Klassiker dürfen auf den Punkt gebracht werden, um auf dem heutigen Theater und vor dessen Publikum erfolgreich zu bestehen. Der Frankfurter Inszenierung gelingt in ihren guten Momenten eine intensive und intime Darstellung des Konflikts um Kunst, Liebe und Gesellschaft. Eben deshalb würde man der Aufführung mehr solcher Momente wünschen. Die Bühne ist hierbei wenig hilfreich, verspricht sie doch Offenheit und Weite. Der zentrale Tisch wirkt oft ebenso verloren wie die Schauspieler, die zwar mitunter die Möglichkeit der weiten Bühne und auch die potentielle Nähe zum Zuschauerraum nutzen können, sich jedoch meistens mit einem diffusen Kreuz-und-Quer-Laufen begnügen. Dies funktioniert in der zweiten Auseinandersetzung zwischen Tasso und Antonio, weil das Sich-Entfernen und Sich-Annähern des Gesprächs mit den Laufwegen in Übereinstimmung gebracht wird. Ebenso bewährt sich die Bühne am Schluss, wenn sie zum Schachbrett wird, auf dem die Personen in Endstellung zum Stehen kommen. Überhaupt entschädigt der Schluss für ein enttäuschendes erstes Drittel, in dem das Niveau der Affekte konstant hoch und die Sprache hochgradig konstant ist. Erst mit dem zweiten Gespräch zwischen Tasso und Antonio gewinnt die Sprache an Nuancen, an Ironie und Subtilität. Insbesondere Antonio (Oliver Kraushaar) kann zeigen, dass durch den Gebrauch der Sprache eine profunde und differenzierte Personendarstellung möglich ist. Tasso (Bert Tischendorf), dessen anfängliche Spielweise im Überschwang untergeht, findet erst ab dem zweiten Drittel zu einem abwechslungsreichen Spiel, das sowohl die verschiedenen Register der Sprache und des Gefühls wie auch die Weiten der Bühne auszunutzen vermag. Mit dieser Inszenierung zeigt das Schauspiel Frankfurt, dass es sich auf einem guten Weg befindet. Die eher negativen Zuschauerrezensionen sind alles in allem nicht gerechtfertigt. Mit Blick auf das unangenehme erste Drittel der Inszenierung wünscht man sich vom Regisseur mehr Konstanz in der Figurenzeichnung; der Bühne wünscht man eine größere Intimität und vielleicht auch mehr Veränderungen während des Spiels; der Dramaturgie kann man zur Textgestaltung gratulieren und bei den SchauspielerInnen darf man sich für das spielerische Engagement bedanken. Eines allerdings bleibt mir völlig rätselhaft: Warum hat sich denn niemand um die Lichtregie gekümmert?

Schülertheater?


Michael Mohn
Ist das der Anspruch des schauspielfrankfurt? Eine Tasso-Aufführrung auf dem künsterlischen Niveau einer Theater-AG der gymnasialen Oberstufe? Schauspieler (zum Teil recht gute, zugegeben) laufen in einem total uninspirierten Bühnenbild planlos hin und her, manchmal fallen sie zu Boden und leiern zwischendurch ihren Text herunter. Und das in einer Geschwindigkeit, die selbst für Kenner des Stücks eine Zumutung ist. Diese Aufführung als Inszenierung zu bezeichnen ist doch sehr hoch gegriffen. Szenische Lesung träfe es besser, da nutzen auch die zum Teil peinlich und aufgesetzt wirkenden Actionsequenzen nichts. Vermutlich soll hier einer durch und durch langweiligen Aufführung künstlich Leben eingehaucht werden. Aber etwas, das von der ersten Minute an tot ist, kann auch dadurch nicht gerettet werden. Dem Stück tut man damit keinen Gefallen und dem Haus erst recht nicht.

Bravo, Bravo


Ulrike Steiner
Zu meinem Erstaunen muss ich sagen, dass mir das Stück wirklich sehr gut gefallen hat! Akkustisch gab es bei mir und meiner Gruppe überhaupt kein Problem. Die Frage danach, wie ein Künstler zu sein hat, was die Aufgabe der Kunst sein kann und wie freie Kunst damals und auch heute (!) möglich ist wurde für uns eindrücklich bearbeitet. Eindeutig brillieren an diesem Abend Oliver Kraushaar und Bert Tischendorf. Tischendorfs Darstellung eines Künstlers, sowie sein Umgang mit den äußerst schweren Texten von Goethe beeindruckt und fesselt. Ein Tasso der vollkommen nach dem Prinzip des Gefühls lebt und leider erkennen muss, dass dieser Weg nicht gerade einfach ist. Ein Tasso der am Ende erkennt, dass "sein innerstes Bein zerschmettert ist und er nur lebt um genau DAS zu fühlen". Tischendorf und Tasso verlassen als Sieger die Bühne.
Ihm gegenüber steht Kraushaars geordneter, strikter Antonio. Der ein wundervolles Gegenstück gibt.
Besonders beeindruckend ist auch die Bühne, die das Gefühl, dass hier nichts Halt hat, alles kurz vor dem Abgrund und dem Abrutschen steht verstärkt.
Der Abend endet mit großen Applaus und so einigen "Bravos" für den jungen Tischendorf.
Für uns war es ein wirklich gelungener Theaterabend.

Schade um die Zeit


Torsten Kutschke / Torsten.Kutschke@gmx.de
Das Stück war leider schlecht. Nahezu in jeglicher Beziehung. Das Bühnenbild zeichnet sich einzig durch einen überdimensionalen Tapeziertisch aus, das szenarische Element besteht darin, die Schauspieler wahlweise auf oder über diesen Tisch springen zu lassen. Oder sie müssen gegen die Wand rennen, wenn sie nicht gerade, wie Prinzessin Leonore, den Text mühsam herunterleiern denn vortragen. Das wäre an sich noch alles tolerierbar gewesen - wenn es nicht: gehallt hätte. Der Schall, der sich in Ermangelung von Gegenständen auf der Bühne seitwärts ausbreiten konnte, überschlug sich mit den weiteren Worten der Schauspieler. Und da diese in erster Linie parallel zu den Zuschauern sprechen mussten statt zu den Menschen hin, verhallten die meisten Texte, ohne die Chance auf Wahrnehmung zu erlangen.
Eigentlich schad. Aber kurzum: Das Stück war nichts. Schade um die Zeit...