Sonja Krönung / sonja@kroenungs.de
Als angehende Abiturientin unvermeidlich mit dem Faust-Stoff gut vertraut, wurden meine Erwartungen an eine Inszenierung von eben diesem gänzlich erfüllt. Ich kann weder die Kritik an der Besetzung noch an fehlender Requisite nachvollziehen, da mich die Darsteller überzeugten und der weiße Slip auf mich etwa so obszön wie eine halbnackte Frau in der Autowerbung wirkte – durchaus gewöhnungsbedürftig, aber nicht weiter anstößig. Vielmehr gefiel mir die lebensnahe Umsetzung (mehr oder weniger moderne Kleidung, Requisite aus jedermanns Wohnzimmer usw.), das stimmungsvolle Lichtspiel und die Kombination von Goethes Worten und Umgangssprache. Situationskomik (ein hessisch babbelnder Wagner, Tiermasken und die ‚sanfte Wassergeburt’ von Gretchens Baby), ein herrlich melancholischer Faust und der verführerische und zynische Mephisto taten das Übrige. Wer verstehen will, worum es beim Urfaust wirklich geht und keine Angst davor hat, im Theater zu grinsen, dem sei dieses Stück wärmstens empfohlen!
F.K.
Leider kann ich mich meiner Vorrednerin nicht anschließen: Meiner Meinung nach war das Gretchen eine schreckliche Fehlbesetzung! Da ich in der ersten Reihe saß, musste ich immer Angst haben, von ihr bespritzt zu werden und hatte manchmal mehr als tiefe Einblicke, auf die ich gerne verzichtet hätte! Da ich vorher noch nie Faust gelesen hatte, fiel es mir unheimlich schwer, das Stück zu verfolgen und trotz allen guten Mutes und aller Konzentration habe ich die Thematik nicht verstanden. Schade! Wenigstens sah der Mephisto gut aus, das war aber auch das einzig Gute an dem Abend! Denn auch seine Darstellung fand ich nicht überzeugend! Vielleicht das nächste Mal ein bisschen weniger Eindeutigkeiten und Selbstdarstellung und dafür etwas mehr Klassik und mehr Stoff bei den Kleidern der weiblichen Darsteller!
Norma Schneider / queen_of_gondor@t-online.de
Eine "ganz nette" Inszenierung mit einigen guten und humorvollen Einfällen, die aber leider als Ganzes nicht überzeugen kann, da sie stellenweise einfach etwas lieblos wirktund es den Anschein hat, dass man nicht wirklich den Anspruch hatte, aus einem "alten", unzählige Male inszenierten Stoff etwas Neues herauszuholen. Dabei steckt in diesem Text doch so unendlich viel Potential!
Gunnar Teuber als Faust halte ich für eine Fehlbesetzung, wogegen Ruth Marie Kröger als Gretchen beeindruckend gut spielt und überzeugen kann. Und genau darin liegt die Stärke der Inszenierung: Durch Krögers überzeugende Darstellung, die der Rolle Persönlichkeit gibt, wird die Faust-Tragödie zum Gretchen-Drama. Das ist schön und gut, aber das Teuflische kommt ein wenig zu kurz - denn auch Bert Tischendorf als Mephisto kann nicht wirklich überzeugen. Er grinst zwar sehr schön diabolisch und spielt auch ganz gut, kann sich aber mit Kröger nicht messen. Nach der wirklich beeindruckend ausdrucksstarken Werther-Inszenierung, ist das zweite Mal Goethe in der Schmidtstraße eher eine Enttäuschung.